Der häusliche Herd
Stellung zu erhalten!
Es war nicht mehr von Berta die Rede: der Ehebruch war
verschwunden in diesem persönlichen Streit. Herr Josserand hörte
ihnen noch immer stillschweigend zu. Es war nicht möglich, – sagte
er sich – daß seine Tochter ihm solchen Kummer verursacht habe;
dann erhob er sich mühsam und schlich, ohne ein Wort zu sagen, zur
Tür hinaus, um Berta zu holen. Ist sie nur einmal da, dachte er,
so wird sie sich schon ihrem August in die
Arme werfen; man wird sich verständigen und schließlich alles
vergessen. Er fand sie im Streite mit Hortense, die sie überredete,
sich mit ihrem Gemahl zu versöhnen, da sie ihre Schwester schon
satt hatte und befürchtete, mit ihr längere Zeit ihr Gemach teilen
zu müssen. Die junge Frau widersetzte sich anfangs, doch gab sie
schließlich nach und folgte ihrem Vater. Als sie in den Speisesaal
traten, wo die Kaffeeschalen noch herumstanden, rief Frau Josserand
eben:
Bei meiner Ehre, Sie tun mir nicht leid!
Ihre Tochter erblickend, hielt sie jedoch inne und fiel sogleich
in ihre majestätische Strenge zurück. August machte bei dem
Anblicke seiner Frau eine abwehrende Handbewegung, als wolle er ihr
den Weg zu sich verbieten.
So laßt uns doch nur schauen, sprach Herr Josserand mit sanfter
und zitternder Stimme, was habt ihr denn vor miteinander? Ich weiß
schon gar nichts mehr, ihr macht mich toll mit euren Geschichten…
Nicht wahr, mein Kind, dein Gemahl irrt sich, du wirst ihm alles
erklären… Man muß doch etwas Mitleid haben mit seinen alten Eltern.
So tut es mir zum Gefallen und umarmt euch.
Berta, die August gleichwohl geküßt hätte, stand linkisch,
eingehüllt in ihren Frisiermantel da, als sie ihn mit der Miene
tragischer Entsagung zurückweichen sah.
Wie! du willst nicht, meine Liebe? fuhr der Vater fort. Den
ersten Schritt hast du zu tun… Und Sie, mein lieber Junge,
ermutigen Sie sie, seien Sie nachsichtig.
Der Gemahl brach endlich in die Worte aus:
Sie ermutigen, ach wohl! … Ich fand sie im Hemde, Herr! Und
mit solch einem Menschen! Sie wollen meiner wohl spotten, indem Sie
wünschen, daß ich sie umarme!… Im Hemde, Herr!
Herr Josserand blieb betroffen stehen. Dann
ergriff er Bertas Arm.
Du sprichst nichts, also ist es wahr?… Auf die Knie denn!
Aber August hatte unterdessen die Türe erreicht. Er
flüchtete.
Alles umsonst! Euer Komödienspiel, es packt nicht mehr…
Versuchen Sie's gar nicht mehr, sie mir wieder aufzudringen. Ich
habe genug. Nimmermehr, hören Sie, nimmermehr! Da will ich lieber
auf Ehescheidung klagen. Schieben Sie sie einem andern zu, wenn sie
Ihnen Verlegenheiten bereitet. Übrigens sind Sie selber nicht
besser als Ihre Tochter.
Auf der Schwelle des Vorzimmers machte er seiner Gemütsbewegung
in dem letzten Rufe Luft:
Jawohl, wenn man aus seiner Tochter eine Hure gemacht hat, wolle
man sich nicht einen anständigen Menschen auf den Hals laden!
Die Türe des Treppenhauses fiel zu; tiefe Stille herrschte.
Berta hatte sich wieder vor den Tisch hingestellt und betrachtete
mechanisch einen Kaffeerest auf dem Boden ihrer Schale, während
ihre Mutter mit großen Schritten das Zimmer durchmaß, gleichsam
fortgerissen durch die stürmische Erregtheit ihres Gemütes. Der
Vater hatte sich ganz erschöpft und totenbleich in das andere Ende
des Zimmers zurückgezogen und sich dort auf einen an der Wand
stehenden Sessel gesetzt. Ein Mißduft von ranziger und schlechter
Butter füllte das Gemach.
Da dieser Grobian fort ist, sprach Frau Josserand, können wir
uns verständigen … Da hast du die Ergebnisse deiner
Unfähigkeit, Mann. Siehst du jetzt dein Unrecht ein? Glaubst du,
man werde einen ähnlichen Zank wagen mit einem der Brüder Bernheim,
mit einem Eigentümer der Glasfabrik Sankt
Joseph? Nicht wahr, nein? Hättest du auf meine Worte gehört und
deine Chefs in die Tasche gesteckt, so würde dieser Grobian uns
heute zu Füßen liegen, denn er will ja augenscheinlich nichts als
Geld. Suche Geld zu besitzen, dann wirst du auch geachtet. Es ist
besser, Neid als Mitleid zu erwecken. Wenn ich zwanzig Sous hatte,
sagte ich immer, ich hätte vierzig… Aber du, du kümmertest dich
nicht darum, ob ich auch barfuß gehe; du hast deine Frau Und deine
Töchter schmählich betrogen, indem du uns in ein Leben hineinzogst,
wo wir mit dem Hunger zu kämpfen hatten. Widersprich nicht, all
unser Unglück stammt daher!
Herr Josserand saß mit erlöschendem Blicke regungslos da. Sie
aber blieb vor ihm stehen; sie fühlte das
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