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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Bedürfnis, eine Szene
hervorzurufen; da sie ihn jedoch unbeweglich sah, fuhr sie in ihrem
Gange durch das Zimmer fort.
    Ja, ja, spiele nur den Geringschätzigen. Du weißt ja, daß mich
das gar nicht anficht. Aber wir wollen sehen, ob du noch den Mut
hast, schlecht von meiner Familie zu sprechen nach alledem, was
sich in der deinigen ereignet. Da ist ja Onkel Bachelard ein Adler
und meine Schwester eine feine Dame! Willst du überhaupt meine
Meinung wissen? Gut denn: so höre, daß mein Vater noch nicht tot
wäre, wenn du ihn nicht aus dem Leben geschafft hättest. Und was
gar deinen Vater betrifft, diesen Vater von…
    Herr Josserand wurde noch blässer im Gesicht; er stöhnte:
    Ich bitte dich, Eleonora, ich überlasse dir meinen Vater, ich
überlasse dir meine ganze Familie. Aber ich flehe dich an, mich laß
ungeschoren. Ich fühle mich nicht wohl.
    Berta, von Mitleid ergriffen, erhob das Haupt.
    Laß ihn doch, Mama! sagte sie.
    Zu ihrer Tochter gewandt fuhr Frau Josserand mit gesteigerter
Heftigkeit fort: Jetzt kommst du dran;
warte nur, seit gestern häuft sich der Ingrimm in mir an. Ich will
dir sagen, es muß heraus, es muß zum Ausbruch kommen!… Ist es
möglich mit einem solchen Ladenschwengel! Hast du denn allen Stolz
verloren? Ich glaubte, du werdest ihn ausnützen, ihm nicht mehr
Liebenswürdigkeiten erweisen, als notwendig sind, um aus ihm
gehörigen Nutzen zu ziehen; dazu half ich dir und ermutigte dich.
So sage mir doch, welches Interesse hat dich so weit zu treiben
vermocht?
    Gar keines, stammelte die junge Frau.
    Warum hast du ihn genommen? Es war noch mehr dumm als
abscheulich!
    Du bist komisch, Mama; wer kann wissen, wie weit solche
Geschichten führen?
    So, wer das wissen kann? Das fehlte noch! Man muß es wissen,
hörst du? Da muß ich doch bitten! Sich schlecht aufführen? Darin
steckt ja kein Schatten von gesundem Sinn, und das eben macht mich
zornig. Sagte ich dir je, du sollest deinen Mann betrügen? Habe ich
je deinen Vater betrogen, was? Da ist er ja, du kannst ihn fragen.
Er möge dir sagen, ob er mich je mit einem Manne überraschte?
    Ihre Schritte wurden immer langsamer, der Gang immer
majestätischer; von Zeit zu Zeit fuhr sie mit einer energischen
Handbewegung nach ihrem überquellenden Busen, um ihn in seine
Schranken zurückzuweisen.
    Nichts kann er gegen mich anführen, nicht einen Fehltritt, nicht
eine Pflichtvergessenheit, ja selbst in Gedanken nicht. Mein Leben
war die Keuschheit selbst… Gott weiß, dein Vater hat es mir schwer
gemacht, die Existenz zu ertragen. Ich hätte alle Entschuldigungen
auf meiner Seite gehabt! Viele Frauen hätten sich entschädigt.
Allein ich war stets vernünftig, und das hat mich
gerettet. Du siehst, er hat kein Wort zu
erwidern. Dort sitzt er auf dem Sessel, ohne ein Wort gegen mich zu
finden. Jawohl, ich habe alle Rechte, denn ich bin anständig
geblieben… Du Gans ahnst nicht, welche Dummheit du begangen!
    Fortfahrend hielt sie dann einen gelehrten Vortrag über die
sittlichen und praktischen Folgen des Ehebruches. War August nicht
berechtigt, sie als Gebieter zu behandeln? Ja, so geht es, wenn man
dem Gatten eine so schreckliche Waffe in die Hände gibt. Selbst
wenn sie sich wieder aussöhnen würden, könnte sie nie wieder auch
nur den geringfügigsten Streit hervorrufen, ohne von ihm gleich
still gemacht zu werden. Eine hübsche Stellung in der Ehe! Wie sie
sich fürderhin in Demut werde beugen müssen vor ihrem Gemahl! Nun
sei es vorbei, und sie könne für immer Abschied nehmen von den
Vorteilen eines gehorsamen Gatten, von seinen Gefälligkeiten und
rücksichtsvoller Behandlung. Nein, da bleibe man lieber anständig,
als daß man das Recht aufgebe, im eigenen Heim schreien zu
dürfen.
    Ich schwöre bei Gott, rief sie, ich würde widerstanden haben,
und hätte mich der Kaiser selbst bestürmt!… Man verliert dabei zu
viel.
    Dann tat sie stillschweigend einige Schritte, schien
nachzudenken und fügte schließlich hinzu:
    Auch ist es die größte Schande, die einem widerfahren kann.
    Herr Josserand betrachtete bald sie, bald seine Tochter; lautlos
bewegten sich seine Lippen, und sein ganzes gemartertes Wesen
beschwor sie, diese grausamen Auseinandersetzungen zu beenden.
    Allein Berta, die sonst durch jede Heftigkeit eingeschüchtert
ward, fühlte sich durch die Belehrung ihrer Mutter verletzt und
leimte sich dagegen auf; denn bei der Erziehung, die sie erhalten,
fehlte ihr das Bewußtsein der Schuld.
    Mein Gott! rief sie, die Ellbogen

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