Der häusliche Herd
keck auf
den Tisch stützend, du hättest mich keinem Manne zur Frau geben
sollen, den ich nicht liebe. Heute hasse ich ihn und habe daher
einen andern genommen.
In diesem Tone fuhr sie fort; in ihren kurzen, abgebrochenen
Sätzen kehrte die ganze Geschichte ihrer Heirat wieder: Die drei
Winter, die sie auf der Jagd nach einem Mann verbracht hätten; die
jungen Leute in allen Farben, denen man sie in die Arme geworfen;
die Mißerfolge bei diesem Anbieten ihres Körpers; dann dieser ganze
Lehrgang von schüchterner und erlaubter Hingabe, den die
vermögenslosen Mütter ihren Töchtern erteilen; die Berührungen beim
Tanze, die hinter einer Tür dem jungen Mann überlassene Hand, die
Schamlosigkeit der Unschuld, die auf die Lüsternheit der blöden
Schlingel berechnet ist; und endlich wie der Mann, ist er einmal
gekapert, hinter einen Vorhang gelockt, dort bearbeitet wird, bis
er im Fieber seines Verlangens in das Netz gerät.
Mit einem Wort: Er langweilt mich, und ich langweile ihn,
erklärte sie. Es ist nicht meine Schuld, wir verstehen einander
nicht. Schon am Tag nach der Hochzeit gebärdete er sich, als ob er
glaubte, daß wir ihn »eingetunkt« hätten; er war kühl, verdrossen,
wie wenn ihm ein Geschäft mißlingt… Ich fand es nicht lustig, die
Ehe bot mir wenig Annehmlichkeiten. Wie es gekommen, so mußte es
kommen; nicht ich bin die am meisten Schuldige.
Sie schwieg eine Weile, dann fügte sie im Tone tiefer
Überzeugung hinzu:
Mama, wie sehr begreife ich dich heute!… Du erinnerst dich wohl,
wie oft du uns sagtest, daß du es satt habest bis über den
Kopf.
Frau Josserand, die vor ihr stand, hörte sie seit einer Weile
verblüfft und entrüstet an.
Ich hätte das gesagt! schrie sie.
Doch Berta, die einmal im Zuge war, gab nicht nach.
Du hast es zwanzigmal gesagt… Übrigens hätte ich dich an meiner
Stelle sehen mögen. August ist keineswegs gütig wie Papa. Ihr beide
hättet euch wegen des Geldes in acht Tagen geprügelt… Dem hättest
du bald an den Kopf geworfen, daß die Männer nur da seien, um
»eingetunkt« zu werden!
Ich hätte dergleichen gesagt! wiederholte die Mutter außer
sich.
Sie kam in so drohender Haltung auf ihre Tochter zu, daß der
Vater flehend die Hände ausstreckte. Jedes Wort der beiden Frauen
traf ihn ins Herz, und bei jedem Schlag fühlte er die Wunde sich
erweitern. Mit Tränen in den Augen stammelte er:
Hört auf! Schont mich!
Das ist unerhört, rief Frau Josserand. Jetzt will diese
Unglückliche ihre schlimmen Streiche gar mir in die Schuhe
schieben! Sie wird auch bald sagen, daß ich ihren Gatten betrogen
habe! Also ich bin die Schuldige, wie? Ich bin die Schuldige!
Berta, die noch immer die Ellbogen auf den Tisch gestützt hatte,
erwiderte bleich, aber entschlossen:
Gewiß; wenn du mich anders erzogen hättest …
Sie konnte den Satz nicht vollenden. Die Mutter versetzte ihr
mit voller Kraft eine Maulschelle, aber eine so ausgiebige
Maulschelle, daß sie im Augenblick an die Wachsleinwand des Tisches
wie angenagelt war. Schon seit gestern hatte die Mutter die
Ohrfeige in der Hand, sie prickelte ihr in den Fingern wie ehemals,
wenn die Kleine im Schlafe das Bett näßte.
Da hast du es! schrie sie. Das ist zu deiner Erziehung …
Dein Mann hätte dich erschlagen sollen.
Die junge Frau schluchzte, ohne sich von der
Stelle zu rühren, die Wange an den Arm gelehnt. Sie vergaß ihre 24
Jahre; diese Ohrfeige erinnerte sie an die Ohrfeigen von ehemals,
an eine ganze Vergangenheit furchtsamer Heuchelei. Die
Entschlossenheit einer sich frei fühlenden, erwachsenen Person ging
in dem tiefen Schmerze eines kleinen Mädchens unter.
Als er sie so heftig weinen hörte, bemächtigte sich des Vaters
eine entsetzliche Aufregung; außer sich erhob er sieh, schob die
Mutter beiseite und rief:
Wollt ihr beide mich töten?… Sagt? Muß ich mich auf die Knie
werfen?
Frau Josserand, die nichts hinzuzufügen hatte, entfernte sich
erleichtert inmitten eines feierlichen Schweigens. Da stieß sie
hinter der plötzlich geöffneten Tür auf Hortense, die mit
gespitzten Ohren dastand. Das gab einen neuen Lärm.
Du hast diese schmutzigen Dinge belauscht? Die eine verübt
Scheußlichkeiten, und die andere ergötzt sieh daran! Ihr seid ein
sauberes Paar! Großer Gott! Wer hat euch denn erzogen?
Hortense trat ein, ohne sich viel an diese Reden zu kehren.
Ich brauchte nicht zu lauschen; man hört euch ja bis in die
Küche. Die Magd fährt schier aus der Haut vor Lachen. Ich
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