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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wenn Sie auf mich gerechnet haben…
    Von dem ganzen Wortschwall hörte Frau Dambreville bloß den
letzten Satz. Seit acht Tagen verfolgte sie Leo, ohne ihn zu
Gesichte zu bekommen. Als sie vernahm, daß er kommen werde,
erheiterte sich ihr Gesicht, und aus ihrem Herzen drang ein
Freudenschrei:
    Wenn er kommt, bleibe ich.
    Sie ließ sich wie eine schwere Masse in einem Sessel nieder.
Gedankenlos stierte sie ins Leere und gab keine Antwort mit der
Entschlossenheit eines Tieres, selbst um den Preis von Schlägen
nicht von der Stelle zu weichen. Frau Josserand ließ sie endlich
allein untröstlich darüber, daß sie zuviel geredet, und ergrimmt,
daß sie diesem Weib, das in ihrem Salon sich festgesetzt wie ein
Meilenstein, nicht die Türe weisen durfte. Ein Geräusch, das aus
dem Speisesaal plötzlich an ihr Ohr drang, beunruhigte sie. Sie
glaubte Augusts Stimme zu erkennen.
    Auf Ehre, so etwas ist unerhört, sagte sie, die Türe heftig
zuwerfend. Das ist doch schon die äußerste Unhöflichkeit.
    In der Tat war August gekommen, um mit den Eltern seiner Frau die Auseinandersetzung herbeizuführen,
auf die er sich schon seit gestern vorbereitete.
    Herr Josserand, der immer heiterer geworden war und nicht mehr
daran dachte, in das Büro zu gehen, schlug seinen Töchtern eben
einen gemeinsamen Spaziergang vor, als Adele den Gemahl der Frau
Berta anmeldete. Darüber entstand allgemeines Entsetzen. Die junge
Frau erbleichte.
    Wie, dein Gatte? sprach der Vater. Der ist ja in Lyon! Ach, du
logst also! Es gibt ein Unglück, ich fühle es schon seit zwei
Tagen.
    Sie erhob sich, er aber hielt sie zurück.
    Sprich, ihr habt euch wieder einmal gezankt? Und wieder wegen
des Geldes, nicht wahr? Vielleicht gar wegen der Morgengabe, wegen
jener 10 000 Franken, die wir ihm noch nicht gezahlt?
    Ja, ja, so ist's, stammelte Berta und entfloh.
    Hortense hatte sich gleichfalls erhoben. Sie lief ihrer
Schwester nach, holte sie ein, und beide flüchteten in ihr
Zimmer.
    Der Vater fand sich plötzlich allein vor dem Tische in der Mitte
des stillen Speisesaales. Seine üble Laune stieg ihm ins Gesicht in
Gestalt einer fahlen Blässe, einer verzweifelten Lebensmüdigkeit.
Die Stunde, die er gefürchtet, die er mit angstvoller Scham
erwartet hatte, sie war gekommen: sein Schwiegersohn werde ihm den
Versicherungsschein vorhalten, und er sich zu jenem unwürdigen
Vorgang bekennen müssen, in den er eingewilligt.
    Treten Sie ein, treten Sie ein, mein lieber August, sprach er
mit gepreßter Stimme. Berta hat mir soeben von eurem Streit
erzählt. Ich befinde mich ohnedies nicht wohl, und man verdirbt mir
den Tag noch mehr… Sie finden mich in
Verzweiflung, daß ich Ihnen das Geld nicht geben kann. Es war ein
Fehler von mir, die Summe überhaupt zu versprechen, ich weiß
es …
    Mühsam fuhr er fort mit der Miene eines Schuldigen, der seine
Geständnisse macht. August hörte ihm überrascht zu. Da er sich
erkundigt hatte, kannte er bereits die faule Geschichte von der
Versicherung; doch hätte er nie gewagt, die Auszahlung der
10 000 Franken zu fordern, aus Furcht, Frau Josserand werde
ihn in das Grab des alten Vabre schicken, um
dort 
seine
10 000 Franken zu beheben. Immerhin –
da schon davon gesprochen wurde, ging er darauf ein. Das war seine
erste Klage.
    Ich weiß alles, Sie haben mich völlig hintergangen mit ihren
Geschichten. Über den Verlust des Geldes könnte ich mich übrigens
noch hinwegsetzen; aber die Heuchelei muß mich doch mit Recht
ärgern. Wozu dieses Spiel mit angeblich versicherten Beträgen, die
in der Tat nicht existieren? Wozu heuchelten Sie Zärtlichkeit und
Innigkeit, indem Sie Summen in Aussicht stellten, die Sie bis nach
drei Jahren nicht anrühren zu dürfen behaupteten? Und Sie hatten
doch nicht einen roten Heller! Diese Art zu handeln
hat 
einen
 Namen in aller Herren Ländern.
    Herr Josserand öffnete den Mund; er wollte ihm zurufen: »Nicht
ich tat's, sie taten es!« Indessen er schwieg, denn er wollte seine
Familie schonen; gesenkten Hauptes ertrug er es, daß dieses
häßliche Gebahren ihm zugeschrieben wurde. August fuhr fort:
    Übrigens hatte sich die ganze Welt gegen mich verschworen.
Duverdy betrug sich wie ein Nichtswürdiger mit dem Schurken von
seinem Notar; denn als ich verlangte, daß man die versicherte Summe
wegen der Garantie im Kontrakt namhaft mache, gebot er mir
Schweigen. Hätte ich darauf bestanden, so
hätten Sie einen Betrug verübt. Jawohl einen Betrug.
    Noch mehr erbleichend, erhob

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