Der häusliche Herd
Flecke erschienen
auf ihren Wangen.
Mama, du kennst mich ja … Ich will ihn haben, und ich werde
ihn haben. Niemals werde ich einen andern heiraten, und wenn ich
hundert Jahre auf ihn warten müßte.
Die Mutter zuckte die Achseln.
Und du behandelst andere als dumme Gänse! …
Das junge Mädchen erhob sich, vor Aufregung zitternd.
Ich bitte dich, mich aus dem Spiele zu lassen! rief sie. Ich bin
mit meinem Kaninchenschwanze zu Ende und will jetzt zu Bett
gehen … Da du uns nicht zu verheiraten vermagst, erlaube, daß
wir es selbst tun, so gut wir können.
Damit ging sie hinaus und schlug die Türe heftig zu.
Frau Josserand wandte sich zu ihrem Gatten und sprach:
Da siehst du, wie du deine Töchter erzogen hast.
Herr Josserand widersprach nicht; er vertrieb sich die Zeit
damit, kleine Figuren auf das Papier zu zeichnen. Berta hatte kein
Brot mehr und wischte jetzt das Glas mit ihren Fingern aus. Sie
fühlte sich sehr behaglich, denn ihr Rücken war gut durchwärmt, und
sie beeilte sich keineswegs, in ihr Zimmer zu kommen und dort die
zänkische Laune ihrer Schwester zu ertragen.
Ja, das ist der Lohn! sagte Frau Josserand und nahm ihren
Spaziergang durch das Speisezimmer wieder auf. Zwanzig Jahre
hindurch strapaziert man sich für diese Fräulein; man legt sich die
härtesten Entbehrungen auf, um sie zu feinen Damen zu erziehen, und
sie bieten uns nicht einmal die Genugtuung, daß wir sie nach
unserem Geschmack verheiraten können … Wenn man ihnen noch
jemals das geringste verweigert hätte! … Ich habe niemals
einen Sou für mich behalten, habe mir in der Toilette die äußerste
Beschränkung auferlegt und sie in einer Weise gekleidet, als ob wir
fünfzigtausend Franken Rente hätten. Wahrhaftig, es ist zu dumm!
Wenn diese Nichtsnutzigen eine sorgfältige Erziehung genossen
haben, von Religion just soviel wissen wie nötig ist, das Benehmen
reicher Mädchen haben, dann lassen sie uns fahren und sprechen
davon, Advokaten und Abenteurer heiraten zu
wollen, die sich einem lasterhaften Lebenswandel ergeben haben.
Sie blieb vor Berta stehen, drohte dieser mit dem Finger und
sagte:
Wenn du es deiner Schwester nachmachen wolltest, würdest du es
mit mir zu tun haben.
Dann fuhr sie fort, im Zimmer auf und ab zu trippeln, mit sich
selber zu reden, von einem Gedanken auf den andern überzuspringen
und sich zu widersprechen, aber immer mit der Miene einer Frau, die
in allen Dingen recht behalten will.
Ich habe getan, was ich tun mußte, und was ich auch heute tun
würde, wenn ich von vorne anfangen müßte. Im Leben verlieren nur
die Verschämten. Geld ist Geld. Wer keines hat, soll sich schlafen
legen. Wenn ich zwanzig Sous hatte, sagte ich, daß ich vierzig
habe; darin liegt alle Weisheit; es ist besser, Neid zu erregen als
Mitleid … Es nützt nichts, eine gute Erziehung genossen zu
haben; gut gekleidet muß man sein, sonst wird man verachtet. Das
ist ungerecht, aber es ist so. Lieber würde ich schmutzige
Unterröcke tragen als ein Kleid von Kattun. Man soll Erdäpfel
essen, aber ein Huhn auf den Tisch bringen, wenn man Gäste zum
Essen hat. Wer das Gegenteil sagt, ist ein Schwachkopf.
Sie schaute ihren Gatten scharf an, an den die Bemerkungen
gerichtet waren. Dieser schien erschöpft; er wollte das Gefecht
nicht wiederaufnehmen und war feige genug zu sagen:
Es ist wahr: heutzutage gilt nur das Geld.
Du hörst mich wohl, sagte sie dann zu ihrer jüngeren Tochter.
Gehe geradeaus und biete uns Genugtuung … Warum hast du diese
Partie wieder verfehlt?
Berta begriff, daß nun an ihr die Reihe sei.
Ich weiß nicht, Mama, murmelte sie.
Ein Bürounterchef, fuhr die Mutter fort, kaum dreißig Jahre alt,
mit einer herrlichen Zukunft. Der bringt jeden Monat sein Gehalt
nach Hause, das ist solide, es gibt nichts Besseres. Du hast gewiß
wieder eine Dummheit begangen wie mit den übrigen?
Ich versichere dir: nein. Er wird sich unterrichtet und erfahren
haben, daß ich keinen Sou besitze.
Frau Josserand rief heftig aus:
Und die Ausstattung, die der Onkel dir geben wird? Davon weiß ja
alle Welt! … Nein, da steckt was anderes dahinter. Er hat zu
schroff abgebrochen. Während des Tanzes habt ihr euch in den
kleinen Salon begeben.
Berta geriet in Verwirrung.
Ja, Mama … Und als wir allein waren, da wollte er
abscheuliche Dinge; er hat mich geküßt und dabei in einer Weise
umarmt … Da bekam ich Furcht und stieß ihn gegen ein
Möbel …
Ihre Mutter unterbrach sie wütend:
Gegen ein Möbel
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