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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hast du ihn gestoßen! … O, die
Unglückliche! Gegen ein Möbel …
    Aber Mama, er hielt mich umfangen …
    Und was weiter? Er hielt dich umfangen … Ist das eine große
Sache! … Gebt diese Dinger in die Pension! Was lernt ihr denn
eigentlich dort?
    Ein Blutstrom ergoß sich in die Schultern und Wangen des jungen
Mädchens. Ihre jungfräuliche Züchtigkeit empörte sich bei diesen
Reden, und Tränen traten ihr in die Augen.
    Es ist nicht meine Schuld! Er sah so bösartig aus … Ich
weiß ja nicht, was man tun muß.
    Was man tun muß? Sie fragt, was man tun muß? Habe ich dir nicht
hundertmal gesagt, wie lächerlich deine Zimperlichkeitist. Du bist berufen, in der Gesellschaft zu leben.
Wenn ein Mann rücksichtslos ist, so beweist dies, daß er dich
liebt, und es gibt immer Mittel, ihn artig in die gehörigen
Schranken zurückzuweisen. Wegen eines Kusses hinter einer
Türe! … Ist es der Mühe wert, uns, deinen Eltern, das zu
erzählen? Du stößt die Leute gegen die Möbel und stößt so deine
Versorgung von dir!
    Sie nahm einen belehrenden Ton an und fuhr fort:
    Ich verzweifle schon an dir, denn du bist blöde, meine
Tochter … Es wäre nötig, dir alles vorzupfeifen und das wird
auf die Dauer lästig. Da du kein Vermögen hast, mußt du die Männer
durch andere Mittel fangen. Man muß liebenswürdig sein, zärtliche
Augen machen, seine Hände vergessen, kleine Kindereien gestatten,
ohne es merken zu lassen, – kurz: man muß sich einen Mann
angeln … Glaubst du, es werde deinen Augen zuträglich sein,
wenn du plärrst wie ein Vieh!
    Berta schluchzte.
    Du machst mich nervös; plärre nicht! … Mann, befiel deiner
Tochter, ihr Gesicht nicht mit dem Flennen zu verderben. Das fehlt
uns noch, daß sie häßlich wird!
    Mein Kind, sagte der Vater, sei vernünftig; gehorche deiner
Mutter, die dir gewiß nur gute Ratschläge geben wird. Du darfst
dich nicht häßlich machen, mein Kind.
    Was mich verdrießt, ist, daß sie gar nicht übel ist, wenn sie
will, fuhr Frau Josserand fort. Schau her! Trockne dein Gesicht ab
und betrachte mich, als ob ich ein Herr wäre, der dir den Hof
machen will … Du lächelst, du läßt deinen Fächer fallen, damit
der Herr, wenn er ihn aufhebt, deine Finger streift … Nicht
so! Du ziehst dich ja zurück wie ein krankes Hühnchen … Wirf
den Kopf zurück und laß deinen Hals sehen, er ist ja jung genug, um
gezeigt zu werden.
    Demnach so, Mama? …
    Ja, das ist besser … Und sei nicht steif; die Taille muß
biegsam sein. Die Männer lieben die steifen Bretter nicht …
Und wenn einer zu weit geht, der sitzt fest, meine
Liebe! …
    Die Pendeluhr im Salon schlug die zweite Morgenstunde; in der
Aufregung dieses lang ausgedehnten Abends, in ihrem wütenden
Verlangen nach einer sofortigen Verheiratung Bertas vergaß die
Mutter sich so weit, daß sie laut dachte und dabei ihre Tochter hin
und her drehte wie eine Puppe aus Kartonpapier. Das Mädchen
überließ sich ihr willenlos; doch ihr Herz war tief beklommen;
Furcht und Scham drohten sie zu ersticken. Plötzlich aber brach sie
mitten in einem perlenden Gelächter, daß ihre Mutter sie zwang zu
versuchen, in ein Schluchzen aus und stammelte mit verstörter
Miene:
    Nein, das fällt mir zu schwer! …
    Frau Josserand stand einen Augenblick verblüfft und entrüstet
da. Schon seitdem sie die Abendgesellschaft bei Frau Dambreville
verlassen, fühlte sie ein Glühen in der Hand; Prügel lagen in der
Luft. Jetzt brach sie los: sie ohrfeigte Berta aus voller
Kraft.
    Da nimm! Du bringst mich endlich aus der Fassung! So ein Tropf!
Meiner Treu, die Männer haben recht!
    In der Hast der Bewegungen war der Band Lamartine zu Boden
gefallen. Sie hob ihn auf, wischte ihn ab und begab sich, ohne
weiter ein Wort zu sagen, mit königlicher Miene ihre Ballrobe
hinter sich herschleppend, in ihr Schlafzimmer.
    Das mußte so kommen, brummte Herr Josserand, der seine Tochter
nicht zurückzuhalten wagte, die nun laut weinend und sich die Wange
haltend, ebenfalls hinausging.
    Als Berta tastend durch das dunkle Vorzimmer ging,
fand sie, daß ihr Bruder Saturnin wach war
und bloßfüßig hinter der Türe stehend gehorcht hatte. Saturnin war
ein langer Bursche von fünfundzwanzig Jahren mit schlotterigem Gang
und seltsamen Blicken, der infolge eines Gehirnfiebers kindisch
geblieben war. Er war zwar nicht verrückt; doch wenn er gereizt
ward, versetzte er zuweilen durch seine Wutanfälle das ganze Haus
in Schrecken. Berta allein hatte Gewalt

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