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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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lächerlichen Abendgesellschaften die Männer
in die Flucht!
    Noch niemals war Herr Josserand so weit gegangen. Frau Josserand
stammelte fast erstickend: »Lächerlich, ich! lächerlich!« Da
öffnete sich die Tür, und es erschienen Hortense und Berta in
Unterrock und Leibchen, mit aufgelöstem Haar, die nackten Füße in
Pantoffeln steckend.
    Hu, wie kalt ist es in unserem Zimmer! sagte Berta fröstelnd.
Der Bissen gefriert einem im Munde. Hier ist wenigstens am Abend
eingeheizt gewesen.
    Beide setzten sich dicht an den Ofen, der noch einen Rest von
Wärme hatte. Hortense hielt mit den Fingerspitzen ihren
Kaninchenknochen, von dem sie sehr geschickt das Fleisch
abknabberte. Berta hingegen tauchte Brotschnitten in ihr Sirupglas.
In der Hitze des Streites hatten die Eltern das Erscheinen ihrer
Töchter gar nicht bemerkt; sie fuhren fort zu zanken.
    Lächerlich bin ich? … Ich will es nicht länger sein! Man
soll mir den Kopf abschneiden, wenn ich fernerhin auch nur ein Paar
Handschuhe verbrauche, um die Mädchen zu verheiraten. Beschäftige
du dich jetzt mit der Sache und mache dich weniger lächerlich als
ich.
    Jetzt, nachdem du sie überall herumgeschleppt und bloßgestellt
hast? Verheirate sie oder verheirate sie nicht – mir ist es ganz
gleich!
    Mir nicht minder! Es ist mir so gleichgültig, daß ich
sie vor die Türe setzen werde, wenn du es
noch lange so treibst. Wenn es dir beliebt, kannst du ihnen folgen,
die Tür steht offen. Da bekäme ich eine schöne Last vom Halse!
    An ähnliche Auseinandersetzungen gewöhnt, hörten die Mädchen den
Zank ruhig mit an. Sie aßen still, ließen ihre Leibchen von den
Schultern herabgleiten und rieben ihre nackte Haut an dem warmen
Porzellanofen. Sie waren reizend in ihrer Jugend und Entblößung mit
ihrem Heißhunger und ihren schlaftrunkenen Augen.
    Es ist schade, daß ihr euch zankt, sagte endlich Hortense mit
vollem Munde; Mama regt sich allzusehr auf, und Papa wird
vielleicht gar morgen im Büro krank sein … Ich denke, wir sind
groß genug, um uns selbst zu verheiraten.
    Das schien dem Gespräch eine andere Wendung geben zu sollen. Der
Vater schien mit seiner Kraft zu Ende und wollte sich jedenfalls
wieder an seine Adreßschleifen machen; er vermochte nicht zu
schreiben, weil seine Hände zitterten; so saß er denn mit der Nase
über das Papier gebeugt da. Inzwischen war die Mutter, die im
Zimmer herumrannte wie eine wütende Löwin, vor Hortense stehen
geblieben.
    Wenn du für dich sprichst, dann bist du ein rechtes Gänschen!
Dein Verdier wird dich niemals heiraten.
    Das ist meine Sache, erwiderte kurz das Mädchen.
    Nachdem sie fünf oder sechs Freier voll Verachtung abgewiesen
hatte, einen kleinen Beamten, einen Schneiderssohn, andere junge
Leute, die ihr keine Zukunft zu haben schienen, entschied sie sich
für einen Advokaten, den sie bei den Dambreville getroffen hatte,
und der schon an die vierzig Jahre zählte. Sie hatte eine sehr gute
Meinung von ihm und seiner Zukunft. Das Unglück wollte, daß Verdier
seit fünfzehn Jahren mit einer Geliebten lebte, die in dem
Stadtviertel, wo sie wohnten, sogar für seine Frau galt.
Hortense wußte davon und schien darüber
nicht sonderlich beunruhigt zu sein.
    Mein Kind, sagte der Vater und erhob von neuem den Kopf, ich
habe dich gebeten, an diese Verbindung nicht zu denken … Du
kennst ja die Lage.
    Sie unterbrach sich einen Augenblick in dem Saugen an ihrem
Knochen und erwiderte im Tone der Ungeduld:
    Was weiter? … Verdier hat mir versprochen, sie zu
verlassen. Sie ist eine dumme Gans.
    Hortense, es ist nicht recht von dir, so zu sprechen. Was dann,
wenn der Mann einst auch dich verlassen wird, um zu jener
zurückzukehren, die er um deinetwillen verlassen hat?
    Das ist meine Sache, wiederholte das junge Mädchen kurz.
    Berta hörte ruhig zu; sie war vollständig eingeweiht in diese
Angelegenheit, über deren Möglichkeiten sie täglich mit ihrer
Schwester sich unterhielt. Gleich ihrem Vater nahm auch sie Partei
für die arme Frau, die man nach einem fünfzehnjährigen
gemeinschaftlichen Haushalte auf die Straße setzen wollte. Doch
jetzt trat Frau Josserand dazwischen.
    Laßt gut sein! Solche Geschöpfe kehren immer wieder in die Gosse
zurück. Allein ich fürchte, daß Verdier niemals den Mut haben wird,
sie zu verlassen. Er wird dich anführen, meine Liebe. Ich an deiner
Stelle würde keinen Augenblick länger warten, sondern einen andern
zu finden trachten.
    Hortensens Stimme ward noch herber; zwei fahle

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