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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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solchen Persönlichkeiten, vor denen sie länger zu
prunken keine Ursache hatte. So hatte sie beispielsweise eine kurze
Zeit die Absicht, Herrn Trublot zu ihrem Schwiegersohn zu machen,
der damals bei einem Wechselagenten angestellt war, und wartete,
daß sein Vater, ein reicher Mann, ihm einen Anteil kaufe; da aber
Trublot ihr gestanden hatte, daß er eine tief eingewurzelte
Abneigung gegen die Ehe habe, tat sie sich ihm gegenüber keinen
Zwang mehr an und setzte ihn neben Saturnin, der die Gewohnheit
hatte, sehr unreinlich zu essen. Berta, die sonst immer neben ihrem
Bruder saß, hatte die Aufgabe, ihn mit ihren Blicken abzuhalten,
daß er allzu häufig mit den Fingern in die Soßenschüssel fahre.
    Jetzt wurden geschmorte Nieren gebracht. Als die Fräulein die
Augen ihres Onkels funkeln sahen, hielten sie den Augenblick für
den Angriff gekommen.
    Trinken Sie, Onkel, sagte Hortense; wir feiern ja Ihren
Geburtstag … Geben Sie uns nichts zu Ihrem Geburtstag?
    Richtig, fügte Berta mit unschuldiger Miene hinzu; man muß ja an
seinem Geburtstag Geschenke machen … Sie werden uns zwanzig
Franken geben.
    Als Bachelard von Geld reden hörte, stellte er sich noch mehr
betrunken, als er war. Er machte es immer so. Seine Augenlider
fielen herab: er war vollständig blöd.
    Wie, was? blökte er.
    Zwanzig Franken! Sie wissen ja, was zwanzig Franken sind;
stellen Sie sich nicht so dumm! rief Berta. Geben Sie uns zwanzig
Franken, und wir werden Sie lieben. Wir werden Sie sehr lieben!
    Sie warfen sich an seinen Hals, gaben ihm allerlei Kosenamen und
küßten sein weinglühendes Gesicht, ohne vor dem ekligen Geruch der Schwelgerei zurückzuscheuen,
den er aushauchte. Herr Josserand, den dieser Gestank von Absinth,
Tabak und Moschus anwiderte, war empört, als er sah, wie die
jungfräulichen Reize seiner Töchter sich an diese auf den Pariser
Straßen aufgelesene Schmach anschmiegten.
    Laßt ab von ihm! rief er.
    Warum denn? bemerkte Frau Josserand, ihrem Gatten einen
fürchterlichen Blick zuschleudernd. Sie amüsieren sich … Wenn
Narziß ihnen zwanzig Franken geben will, wer hat etwas dagegen?
    Herr Bachelard ist so gütig zu ihnen, meinte gefällig die kleine
Frau Juzeur.
    Doch der Onkel wehrte sich; er stellte sich noch blöder und
wiederholte, den Mund voll Speichel, immerfort:
    Das ist drollig … Ich weiß nicht … Meiner Treu, ich
weiß nicht …
    Hortense und Berta tauschten einen Blick aus und ließen ab von
ihm. Offenbar hatte er noch nicht genug getrunken. Sie begannen von
neuem sein Glas zu füllen, lachten dabei in herausfordernder Weise
nach Art der Dirnen, die entschlossen sind, einen Mann
»anzuzapfen«. Ihre nackten Arme passierten in der reizenden Fülle
der Jugend jeden Augenblick vor der großen, flammenden Nase des
Onkels vorbei.
    Trublot, als schweigsamer Bursche, der gewöhnt ist, sich nach
seiner Weise zu vergnügen, folgte indessen mit den Augen der Magd
Adele, die sich schwerfällig um die Tischgäste beschäftigte. Er war
sehr kurzsichtig und fand sie hübsch mit ihren stark ausgeprägten
bretonischen Zügen und hautfarbenen Haaren. Als sie den Kalbsbraten
auftrug, neigte sie sich zur Hälfte über seine Schulter, um die
Mitte des Tisches zu erreichen; er benutzte diese Gelegenheit,
tat, als ob er seine Serviette vom Boden
aufhebe, und faßte sie tüchtig bei der Wade. Die Magd begriff
nicht, was er wolle, und schaute ihn an, als ob er Brot verlangt
habe.
    Was gibt's? fragte Frau Josserand. Sie hat Sie gewiß gestoßen,
mein Herr. Dieses Mädchen ist von einer Ungeschicklichkeit! Aber
was wollen Sie? Sie ist noch neu und muß erst lernen …
    Gewiß, gewiß! Es ist auch nichts geschehen, erwiderte Trublot,
seinen schwarzen Bart mit der Ruhe eines jungen indischen Gottes
streichelnd.
    Die Unterhaltung belebte sich allmählich in dem Speisesaal, der
anfangs eiskalt war, sich aber nach und nach erwärmte und mit
Bratenduft füllte. Frau Juzeur klagte wieder einmal Herrn Josserand
die traurige Einsamkeit ihrer dreißig Jahre. Sie erhob die Augen
zum Himmel und begnügte sich mit dieser kurzen Anspielung auf das
Drama ihres Lebens: ihr Gatte hatte sie nach zehntägiger Ehe
verlassen, niemand wußte weshalb, sie sagte nichts darüber. Jetzt
lebte sie allein in einer allezeit verschlossenen, stillen Wohnung
und empfing bloß Priesterbesuche.
    Es ist gar so traurig … in meinem Alter … sagte sie
schmachtend, wobei sie ihren Kalbsbraten mit zierlichen Gebärden
aß.
    Eine kleine, sehr

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