Der häusliche Herd
bereitete. Herr Josserand
starb übrigens sehr leicht: seine Ehrenhaftigkeit erstickte ihn. Er
war als unnützer Mensch durch das Leben gegangen und schied als
braver Mann aus der Welt, müde der häßlichen Dinge des Lebens. Um
acht Uhr stammelte er den Namen Saturnin, wandte sieh zur Mauer und
verschied.
Niemand hielt ihn für tot, denn man war auf einen schrecklichen Todeskampf gefaßt. Man wartete eine
Weile und ließ ihn schlafen. Als man fand, daß er steif zu werden
beginne, wurde Frau Josserand böse, vergoß heiße Tränen und schalt
Hortense, die sie beauftragt hatte, unter dem schmerzlichen
Eindruck der letzten Augenblicke Berta wieder in Augusts Arme zu
legen.
Du denkst doch an nichts! sagte sie, sich die Augen
trocknend.
Aber Mama, erwiderte das Mädchen heftig weinend, wer hätte
gedacht, daß Papa so rasch verscheiden werde? Du sagtest mir, ich
möge erst um neun Uhr hinabgehen, um August zu holen, damit er für
alle Fälle da sei.
Die Familie, sonst sehr betrübt, fand in diesem Streite eine
Zerstreuung. Es war wieder eine verfehlte Sache; nichts wollte
gelingen. Glücklicherweise blieb noch das Begräbnis als Gelegenheit
zur Aussöhnung.
Das Leichenbegängnis war recht anständig, wenn auch nicht so
pomphaft wie das des Herrn Vabre. Das Interesse im Hause und in der
Straße war übrigens ein weit geringeres, denn es handelte sieh
diesmal nicht um einen Hausbesitzer. Der Verstorbene war ein
ruhiger Mann gewesen, der nicht einmal der Frau Juzeur den Schlaf
störte. Marie, seit gestern auf dem Punkte entbunden zu werden,
bedauerte nur, daß sie nicht hinabgehen konnte, um den Damen bei
der Aufbahrung des Toten behilflich zu sein. Als die Leiche
hinausgetragen wurde, begnügte sich Frau Gourd damit, sich in ihrer
Loge zur Begrüßung zu erheben, ohne bis zur Schwelle
herauszukommen. Das ganze Haus ging mit auf den Kirchhof hinaus:
Duverdy, die Vabre, Campardon, Herr Gourd. Man sprach von den
häufigen Frühjahrsregengüssen, welche die Ernte verdarben.
Campardon war überrascht von dem schlechten Aussehen Duverdys und
murmelte:
Gott wolle verhüten, daß das Haus noch
weiter heimgesucht werde!
Frau Josserand und ihre Töchter mußten bis zum Wagen geführt
werden. Leo ging, auf Bachelards Arm gestützt, mit raschen
Schritten auf den Wagen zu, während August mit einer Miene der
Verwirrung hinterdreinkam. Er stieg mit Duverdy und Theophil in
einen Wagen. Clotilde lud den Abbé ein, zu ihr in den Wagen zu
steigen: er hatte bei der Trauerfeier nicht mitgewirkt, war aber
auf den Kirchhof mitgefahren, um so der Familie einen Beweis von
Teilnahme zu geben. Auf dem Rückwege liefen die Pferde einen
flotteren Trab. Frau Duverdy bat den Priester, mit ihnen
heimzukehren und sofort an seine Aufgabe zu gehen, denn sie halte
den Augenblick für geeignet. Er willigte ein.
Die drei Trauerwagen setzten die leidtragende Familie in der
Choiseul-Straße still ab. Theophil suchte sogleich Valerie auf, die
zu Hause geblieben war, um eine große Säuberung im Laden zu
überwachen und wenn möglich die Gelegenheit, daß der Laden
geschlossen blieb, auszunützen.
Du kannst dein Bündel schnüren, rief er wütend. Alle bearbeiten
ihn; ich wette, daß er sie um Verzeihung bitten wird.
In der Tat fühlten alle das dringende Bedürfnis, dieser Lage ein
Ende zu machen. Das Unglück sollte doch wenigstens zu etwas nütze
sein. August, von ihnen umgeben, fühlte wohl, was sie wollten; er
stand allein ohne Kraft.
Langsam schritt die in Trauer gekleidete Familie durch die
Toreinfahrt ins Haus. Alles schwieg. Auch auf der Treppe sprach
niemand ein Wort, obgleich sie alle mit dem nämlichen Gedanken
beschäftigt waren. August, von einem letzten Widerstreben
ergriffen, war vorausgeeilt in der Absicht, sich rasch in seinem
Zimmer einzuschließen. Allein als er seine Türe öffnete, ward er
durch Clotilde und den Abbé, die ihm
gefolgt waren, angehalten. Hinter ihnen erschien Berta in tiefer
Trauer auf dem Treppenabsatz, begleitet von ihrer Mutter und ihrer
Schwester. Alle drei hatten vom Weinen gerötete Augen; Frau
Josserand besonders war ein Bild des Jammers.
Mut, mein Freund, sagte der Priester einfach mit tränenumflorter
Stimme.
Das genügte. August gab sofort nach, er sah ein, es sei besser,
wenn er es bei dieser schicklichen Gelegenheit tue. Seine Frau
weinte, er weinte gleichfalls; endlich stammelte er:
Komm! wir wollen suchen, uns künftig besser zu verstehen.
Die Mitglieder der Familie fielen einander in die Arme.
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