Der häusliche Herd
Getöse verscheucht, von Ekel vor sich
selbst erfaßt, aus der Wohnung in der Assas-Straße nach der Wohnung
in der Choiseul-Straße flüchtete, tat die haßerfüllte Kälte seiner
Frau das übrige, um ihn vollends zu Boden zu drücken. Dann verlor
er den Kopf, schaute lang in die Seine während seines Ganges in das
Gerichtsgebäude mit dem Gedanken, sich am Abend hineinzustürzen,
sofern ein äußerstes Maß der Leiden ihm die Kraft dazu
verleihe.
Clotilde bemerkte voll Unruhe die zärtlichen Annäherungen ihres
Gatten; sie war wütend über diese Geliebte, die es nicht einmal
fertig brachte, einen solchen Mann glücklich zu machen. Doch war
sie in letzter Zeit noch mehr verdrossen über ein unerquickliches
Vorkommnis, dessen Folgen das ganze Haus in Aufruhr versetzten. Als
Clémence eines Morgens in die Dienstbotenkammern hinaufstieg, um
ein Taschentuch zu holen, überraschte sie in ihrem Bette Hyppolite
mit diesem Däumling Luise; seither ohrfeigte sie ihn in der Küche
bei jeder Gelegenheit, worunter der Dienst litt. Das Schlimmste
war, daß die gnädige Frau nicht länger die Augen verschließen
konnte vor der ungesetzlichen Lage, in der ihre Kammerfrau und ihr
Haushofmeister sich befanden. Die übrigen Mägde lachten, der
Skandal verbreitete sich schon unter den
Lieferanten des Hauses; man mußte sie verheiraten, wenn man sie
weiter behalten wollte. Da sie mit Clémence nach wie vor sehr
zufrieden war, dachte sie immerfort an die Ehe. Die Unterhandlungen
mit einem Paar, das sich fortwährend mit Faustschlägen traktierte,
schienen ihr so. schwierig, daß sie beschloß,
auch
damit
den Abbé Mauduit zu betrauen, dessen
Rolle als Sittenprediger unter ähnlichen Umständen sehr geboten
schien. Sie hatte seit einiger Zeit überhaupt viel Ungemach mit den
Dienstboten. Während ihres Landaufenthaltes hatte sie die
Entdeckung gemacht, daß ihr hochaufgeschossener Junge Gustav mit
der Köchin ein Verhältnis hatte. Einen Augenblick dachte sie daran,
die Köchin zu entlassen; allerdings hätte sie es nur ungern getan,
denn sie hielt große Stücke auf eine gute Küche. Doch nach
reiflicher Erwägung behielt sie Julie; es war ihr noch immer
lieber, daß der Junge im Hause eine Geliebte habe, ein sauberes
Mädchen, von dem man keine Verlegenheit zu fürchten hatte. Sie
überwachte sie demnach, ohne ein Wort zu sagen. Da mußten nun die
beiden anderen mit ihrer Geschichte kommen!
Frau Duverdy war eines Morgens eben im Begriff, sich zum Abbé
Mauduit zu begeben, als Clémence ihr meldete, daß der Priester
gekommen sei, um Herrn Josserand die Tröstungen der Kirche zu
bringen. Die Kammerfrau hatte auf dem Treppenabsatz das
Allerheiligste vorbeitragen sehen und war mit den Worten in die
Küche zurückgekehrt:
Ich sagte euch ja, daß das Allerheiligste wieder ins Haus kommt,
bevor das Jahr um ist.
Auf die Katastrophe anspielend, unter denen das Haus litt, fügte
sie hinzu:
Das hat uns allen Unglück gebracht.
Diesmal kam das Allerheiligste nicht zu spät: es war ein gutes
Zeichen für die Zukunft. Frau Duverdy begab sieh ins Pfarrhaus zu Sankt-Rochus, um daselbst die
Rückkehr des Abbé abzuwarten. Er hörte sie an, bewahrte ein
trauriges Schweigen, konnte aber schließlich die Aufgabe nicht von
sich weisen, die Kammerfrau und den Haushofmeister über das
Unsittliche ihrer Lage aufzuklären; überdies – fügte er hinzu –
werde die andere Angelegenheit ihn bald wieder nach der
Choiseul-Straße führen, denn der arme Herr Josserand werde die
Nacht schwerlich überleben; und er gab zu verstehen, daß er darin
eine zwar traurige aber zugleich willkommene Fügung erblicke, um
August und Berta zu versöhnen. Er werde trachten, beide
Angelegenheiten auf einmal zu erledigen. Es sei hohe Zeit, daß der
Himmel seinen Bemühungen den Erfolg verleihe.
Ich habe gebetet, verehrte Frau, sagte der Priester. Gott wird
siegen.
In der Tat begann um sieben Uhr abends der Todeskampf des Herrn
Josserand. Die ganze Familie war um ihn versammelt mit Ausnahme
Bachelards, den man vergebens in den Cafés gesucht hatte, und mit
Ausnahme Saturnins, der noch immer in dem Irrenhause zu
Sankt-Evrard eingesperrt war. Leo, dessen Heirat durch die
Krankheit des Vaters eine bedauerliche Verzögerung erlitt, zeigte
eine würdige Trauer. Frau Josserand und Hortense waren gefaßt; nur
Berta schluchzte so stark, daß sie, um den Kranken nicht
aufzuregen, sich in die Küche flüchtete, wo Adele die allgemeine
Bestürzung ausnutzend, sich Glühwein
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