Der häusliche Herd
Clotilde
beglückwünschte ihren Bruder; sie habe von seinem Herzen nicht
Geringeres erwartet, bemerkte sie. Frau Josserand zeigte eine
schmerzliche Befriedigung als Witwe, welche die unerwarteten
Glücksfälle nicht mehr zu rühren vermögen. Dagegen mengte sie ihren
armen Gatten in die allgemeine Freude hinein.
Sie tun Ihre Pflicht, mein Schwiegersohn, sagte sie. Er, der
jetzt im Himmel ist, dankt Ihnen dafür.
Komm! wiederholte August ganz verstört.
Durch das Geräusch herbeigelockt, war Rachel im Vorzimmer
erschienen. Vor der stummen Wut, welche die Wangen dieses Mädchens
erbleichen machte, schrak Berta einen Augenblick zurück. Dann trat
sie mit ernster Miene ein und verschwand mit dem düsteren Schwarz
ihrer Trauergewänder in dem Dunkel der Wohnung. August folgte ihr;
die Türe schloß sich hinter ihnen.
Es ging wie ein großer Seufzer der Erleichterung über die
Treppe, das ganze Haus ward aufgeheitert. Die Damen drückten dem
Priester die Hand, den der Herr erhört hatte. In dem Augenblick, als Clotilde ihn hinwegführte, um
die andere Geschichte im Ordnung zu bringen, kam Duverdy mühselig
an, der mit Leo und Bachelard zurückgeblieben war. Man mußte ihm
den glücklichen Ausgang der Angelegenheit mitteilen; allein er, der
diese Lösung seit Monaten herbeisehnte, schien kaum zu begreifen;
mit seltsam verstörter Miene stand er da, von einer fixen Idee
beherrscht, die ihm das Interesse raubte für alles, was um ihn her
vorging. Während die Josserand in ihre Wohnung hinaufgingen, trat
er hinter seiner Frau und dem Abbé ein. Sie waren noch im
Vorzimmer, als halberstickte Schreie zu ihnen drangen, die sie
erbeben ließen.
Gnädige Frau können ruhig sein, erklärte Hyppolite gefällig; es
ist die kleine Dame von oben, die von Wehen ergriffen wurde. Ich
sah den Doktor Juillerat sich in aller Eile zu ihr begeben.
Als er allein geblieben, fügte er philosophisch hinzu:
Der eine kommt, der andere geht …
Clotilde führte den Abbé in den Salon und sagte, sie werde ihm
zunächst Clémence schicken. Um ihm Kurzweil zu verschaffen, gab sie
ihm die »Revue des Deux-Mondes«, wo sich sehr zarte Verse fanden.
Sie wollte gehen, um die Kammerfrau vorzubereiten, allein in ihrem
Toilettezimmer fand sie ihren Gatten auf einem Sessel sitzen.
Duverdy war schon seit dem Morgen in halbtotem Zustande. Er
hatte Clarisse zum dritten Male mit Theodor überrascht; als er zu
widersprechen wagte, fiel die ganze Hausiererfamilie, Mutter,
Bruder, Schwestern, Über ihn her und warfen ihn unter einem Hagel
von Faustschlägen und Fußtritten auf die Treppe hinaus. Unterdessen
behandelte ihn Clarisse als ausgesogenen, armen Schlucker und
drohte, nach dem Polizeikommissar zu schicken, wenn er es noch
einmal wage, den Fuß in ihr Haus zu setzen. Es war aus. Der Hausmeister unten bemitleidete ihn und sagte ihm,
daß ein alter, reicher Herr seit acht Tagen sich um die Gunst
bewerbe, Clarisse aushalten zu dürfen. Als er sich so verjagt sah
aus dem warmen Nest, wo er so behaglich gelebt, irrte Duverdy lange
Zeit in den Straßen umher; endlich trat er in einen versteckten
Trödlerladen ein und kaufte einen Taschenrevolver. Das Leben war zu
traurig; er wollte es von sich werfen, wenn es ihm gelang, ein
geeignetes Plätzchen zu finden. Diese Wahl eines ruhigen,
geeigneten Plätzchens beschäftigte ihn, als er mechanisch nach der
Choiseul-Straße zurückkehrte, um dem Leichenbegängnisse des Herrn
Josserand beizuwohnen. Als er hinter der Leiche einherschritt,
hatte er plötzlich die Absicht, sich auf dem Kirchhofe zu töten. Er
wolle sich im Hintergrunde hinter einem Grabhügel verlieren, dachte
er. Das schmeichelte seinem Geschmack für das Romantische, für das
Ideal, das ihm in seiner starren, spießbürgerlichen Existenz
immerfort vorschwebte. Allein als die Bahre auf den Boden gestellt
wurde, begann er zu zittern, ergriffen von der Kälte der Erde.
Entschieden – dieser Ort war nicht geeignet zu seinem Vorhaben; er
mußte einen andern suchen. Kranker als zuvor zurückgekommen, völlig
erfaßt von der fixen Idee, saß er brütend auf einem Sessel des
Toilettezimmers und sann über den geeignetsten Winkel des Hauses
nach: vielleicht im Schlafzimmer am Rande des Bettes, oder noch
einfacher hier, wo er sich eben befand.
Sei so freundlich und laß mich allein, sagte Clotilde.
Er hatte schon den Revolver in der Tasche ergriffen.
Warum? fragte er mühsam.
Weil ich das Bedürfnis habe, allein zu sein.
Er glaubte, sie wolle ihr
Weitere Kostenlose Bücher