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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kleid wechseln und ihn nicht einmal
ihre nackten Arme sehen lassen, weil er ihr gar so widerwärtig sei.
Er betrachtete sie einen Augenblick mit seinen trüben Augen: sie war so schön, so groß, die
Farbe von der Reinheit des Marmors, das mattgoldfarbene Haar in
reichen Flechten aufgesteckt. Ach, wenn sie eingewilligt hätte, wie
wäre alles noch in Ordnung gebracht worden! Er erhob sich wankend,
öffnete die Arme und wollte sie erfassen.
    Was willst du? entfuhr es ihr überrascht. Was ficht dich an?
Hast du denn die andere nicht mehr? Soll diese Scheußlichkeit
wieder von vorne beginnen?
    Sie zeigte ihm einen solchen Ekel, daß er zurückwich. Ohne ein
Wort zu sagen ging er hinaus; im Vorzimmer stand er zögernd einen
Augenblick. Als er eine Tür vor sich sah, stieß er sie auf. Es war
die Tür des Abortes; er setzte sich mitten auf das Sitzbrett. Das
war ein ruhiger Ort; da werde ihn niemand stören. Er führte den
Lauf des Revolvers in den Mund und drückte ab.
    Clotilde, die schon seit dem Morgen durch sein Benehmen
beunruhigt war, hatte gelauscht, um zu erfahren, ob er ihr
vielleicht den Gefallen erweise, zu Clarisse zurückzukehren. Als
das Knarren der gewissen Tür ihr sagte, wohin er ging, beschäftigte
sie sich nicht weiter mit ihm. Sie war im Begriff, Clémence durch
die Klingel herbeizurufen, als sie zu ihrem Befremden den dumpfen
Knall des Revolvers vernahm. Was war das? Es war, als ob eine
Zimmerpistole abgeschossen sei. Sie lief ins Vorzimmer, wagte aber
nicht gleich, sich zu erkundigen. Als ein Luftzug aus der gewissen
Türe kam, rief sie ihn an, und da sie keine Antwort erhielt,
öffnete sie.
    Duverdy, mehr durch den Schreck als durch den Schmerz betäubt,
saß auf dem Brett zusammengekauert: eine Jammergestalt, die Augen
weit offen, das Gesicht von Blut überströmt. Er hatte einen
Fehlschuß getan. Die Kugel hatte den Gaumen gestreift und war durch
die linke Backe hinausgegangen. Er hatte
nicht den Mut, einen zweiten Schuß abzufeuern.
    Wie! deshalb bist du hierher gegangen? schrie Clotilde außer
sich. Töte dich doch außer dem Hause!
    Sie war entrüstet. Anstatt sie zu rühren, rief dieser Anblick
die höchste Erbitterung in ihr hervor. Sie faßte ihn ohne jede
Vorsicht an und wollte ihn fortschleppen, damit man ihn nicht an
einem solchen Orte finde. In diesem Räume! Und fehlzuschießen! Das
war denn doch das Äußerste!
    Während sie ihn in das Zimmer führte, stammelte Duverdy, der
fortwährend Blut spuckte:
    Du hast mich nie geliebt!
    Er schluchzte in seinem Schmerz über die tote Poesie, über das
blaue Blümchen, das zu pflücken ihm niemals gelungen war. Als
Clotilde ihn zu Bett gebracht hatte, verdrängte endlich in ihr die
Rührung den Ingrimm. Das Schlimmste war, daß infolge ihres
Klingeins jetzt Clémence und Hyppolite erschienen. Sie sprach
zuerst von einem Unfall; der Herr sei gefallen, sagte sie, und habe
sich am Kinn verletzt. Doch mußte sie die Lüge bald aufgeben, denn
der Bediente, der das Sitzbrett vom Blut reinigte, fand daselbst
den Revolver. Da der Verwundete heftig blutete, erinnerte sich die
Zofe, daß der Doktor Juillerat sich eben im Hause befinde, um Frau
Pichon bei der Niederkunft Beistand zu leisten. Sie lief, ihn zu
holen, und traf ihn, als er eben nach glücklich vollzogener
Entbindung der Frau Pichon herabkam.
    Der Arzt beruhigte Clotilde; es werde vielleicht eine Verrenkung
der Kinnlade zurückbleiben, doch bestehe keine Lebensgefahr. Er war
eben damit beschäftigt, den ersten Verband anzulegen, als der Abbé
Mauduit, beunruhigt durch all den Lärm, eintrat.
    Was ist denn geschehen? fragte er.
    Diese Frage brachte Frau Duverdy vollends in Verwirrung. Schon
bei den ersten Worten der Erklärung brach sie in Tränen aus. Der
Priester begriff; war er doch eingeweiht in den geheimen Jammer
seiner Herde. Schon im Salon hatte ein Unbehagen ihn ergriffen; er
bedauerte fast das Gelingen seines Schrittes; er bedauerte fast,
daß er diese unglückliche junge Frau, die nicht das geringste
Zeichen von Reue an den Tag gelegt hatte, ihrem Gatten wieder
zugeführt hatte. Ein fürchterlicher Zweifel erfaßt ihn. Vielleicht
war Gott nicht mit ihm. Beim Anblick der zerschmetterten Kinnlade
des Rates steigerte sich seine Beklemmung. Er näherte sich mit der
Absicht, den Selbstmord in energischen Worten zu verdammen. Doch
der Doktor wehrte ihn ab.
    Sogleich, Herr Abbé, wenn ich fertig bin … Wie Sie sehen,
ist er ohnmächtig.
    In der Tat hatte Duverdy bei der ersten Berührung

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