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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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unglückliche Frau, flüsterte Frau Josserand
mit der Miene tiefer Teilnahme Herrn Trublot ins Ohr.
    Doch Trublot warf gleichgültige Blicke auf diese gläubigfromme
Dame mit den klaren Augen und dem zurückhaltenden, vieldeutigen
Benehmen, Sie war nicht sein Geschmack.
    In diesem Augenblick entstand Schrecken rings an der Tafel.
Saturnin, den seine Schwester nicht mehr überwachte, weil sie gar
zu sehr mit ihrem Oheim beschäftigt war, unterhielt sich damit,
sein Fleisch in kleine Stückchen zu
zerschneiden und damit Figuren auf seinem Teller auszulegen. Dieses
arme Geschöpf brachte seine Mutter in Verzweiflung; sie fürchtete
und schämte sich zugleich; sie wußte nicht, wie sie sich seiner
entledigen solle. Ihre Eitelkeit gestattete ihr nicht, einen
Arbeiter aus ihm werden zu lassen, nachdem sie ihn seinen
Schwestern geopfert, indem sie ihn aus einer Erziehungsanstalt
zurücknahm, wo seine stumpfe Verstandeskraft sich nur sehr langsam
entwickelte; während der vielen Jahre, die er schon unnütz und blöd
im elterlichen Hause zubrachte, hatte sie stets tausend Schrecken,
wenn sie ihn in eine Gesellschaft bringen sollte. Ihr Stolz war
grausam verletzt.
    Saturnin! rief sie.
    Doch Saturnin grinste höhnisch; die Sudelei auf seinem Teller
machte ihm offenbar viel Spaß. Er respektierte seine Mutter nicht
und behandelte sie mit dem Scharfsinn der Verrückten, die gewöhnt
sind, laut zu denken, offen als eine große Lügnerin und böse
Sieben. Die Dinge drohten eine üble Wendung zu nehmen; er würde der
Mutter sicherlich den Teller an den Kopf geworfen haben, wenn nicht
Berta, an ihre Aufgabe erinnert, fest auf ihn geblickt hätte. Er
wollte zuerst Widerstand leisten, dann aber blieb er bis zum Ende
des Mahles stumpfsinnig und steif wie im Traume auf seinem Sessel
sitzen.
    Ich hoffe, Gueulin, daß Sie Ihre Flöte mitgebracht haben? fragte
Frau Josserand, die das Unbehagen ihrer Gäste zu zerstreuen
suchte.
    Gueulin war Dilettant auf der Flöte, aber er spielte nur in
Häusern, wo er sich wohl fühlte.
    Meine Flöte, gewiß! antwortete er.
    Er war zerstreut, seine Haare und sein roter Backenbart waren
noch struppiger als sonst; das Manöver der beiden Hausfräulein um
ihren Onkel schien ihn sehr zu interessieren. Gueulin war in einer Versicherungsanstalt angestellt;
wenn seine Amtsstunden vorüber waren, suchte er regelmäßig
Bachelard auf und verließ ihn nicht mehr; er war sein Begleiter in
allen Kaffeehäusern und an allen schlechten Orten. Hinter der
großen, schlotterigen Gestalt des einen konnte man stets die
kleine, bleiche Figur des andern finden.
    Nur zu, meine Damen, lassen Sie ihn nicht los! rief er den
beiden Mädchen zu.
    Der Onkel verlor in der Tat immer mehr den Boden unter den
Füßen. Als Adele nach dem Gemüse – grüne Erbsen in Wasser gekocht –
Vanille- und Erdbeereis brachte, entstand an der Tafel große Freude
über diese unerwartet feine Zugabe. Die beiden Mädchen beuteten
dies dazu aus, ihren Onkel die Hälfte einer Flasche Champagner
austrinken zu lassen, die ihre Mutter bei einem benachbarten
Spezereihändler für drei Franken kaufte. Bachelard ward zärtlich;
er vergaß, daß er den Blöden spielen wollte.
    Wie, zwanzig Franken? … Wofür zwanzig Franken? Aber ich
habe sie nicht. Fragt nur Gueulin. Nicht wahr, Gueulin, ich habe
meine Börse zu Hause vergessen? Du mußtest im Kaffeehause für mich
bezahlen … Wenn ich zwanzig Franken hätte, meine Kätzchen,
würde ich sie euch geben; ihr seid zu herzig …
    Gueulin lachte mit seiner kalten Miene und der kreischenden
Stimme eines schlecht geschmierten Flaschenzuges und brummte
dazu:
    Der alte Schelm!
    Dann rief er in einer plötzlichen Aufwallung:
    Durchsuchen Sie seine Taschen!
    Hortense und Berta warfen sich von neuem ohne jede Zurückhaltung
auf ihren Oheim. Die Gier nach den zwanzig Franken, bisher durch
ihre gute Erziehung gedämpft, brachte sie endlich außer Rand und
Band, und sie vergaßen alle Rücksichten.
Die eine wühlte mit beiden Händen in seinen Westentaschen, während
die andere ihre Finger bis an die Handwurzeln in die Taschen des
Rockes versenkte. Der Onkel warf sich zurück und wehrte sich noch;
doch ward er von einem Gelächter überwältigt, von einem durch das
Schluchzen der Trunkenheit unterbrochenen Gelächter.
    Auf Ehrenwort, ich habe keinen Sou bei mir … Hört doch auf,
ihr kitzelt mich! …
    Im Beinkleid! rief Gueulin energisch, erregt durch diesen
Anblick.
    Berta suchte, rasch entschlossen, auch in

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