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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sprach:
    Sei ruhig, oder ich liebe dich nicht mehr! …
    Er wankte, ein Ausdruck der Verzweiflung lagerte sieh auf seinen
Zügen, seine Augen füllten sich mit Tränen.
    Du hebst mich nicht mehr … Du liebst mich nicht mehr… Ich
bitte dich, sage, daß du mich noch liebst und mich immer lieben
wirst und daß du niemals einen andern lieben wirst …
    Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn fort; er war gehorsam
wie ein Kind.
    Inzwischen empfing im Salon Frau Josserand Herrn Campardon, den
sie ihren »lieben Nachbar« nannte, mit übertriebener
Freundlichkeit. Warum hat Frau Campardon – so fragte sie – ihr
nicht das Vergnügen erwiesen mitzukommen? Als der Architekt
erwiderte, Frau Campardon sei immer etwas leidend, rief die
Hausfrau lebhaft, daß man die Dame auch in Schlafrock und
Pantoffeln gern empfangen werde. Ihr lächelnder Bück war jedoch
immerfort auf Octave gerichtet, der mit Herrn Josserand plauderte;
alle ihre Liebenswürdigkeiten waren über Campardons Schultern
hinweg ihm gewidmet. Als ihr Gatte ihr den jungen Mann vorstellte,
war sie von einer so überströmenden Herzlichkeit, daß Octave
dadurch verlegen ward.
    Es kamen noch mehr Gäste, fette Mütter mit mageren Töchtern;
Väter und Oheime, die aus der Schläfrigkeit ihrer Büros kaum noch
erwacht waren, schoben ganze Scharen von zu verheiratenden Töchtern
vor sich her. Zwei mit Lichtschirmen aus Rosapapier versehene
Lampen verbreiteten ein mattes Licht in dem Salon und beleuchteten
die alten Möbel mit dem verschossenen roten Samt, das
verstimmte Klavier, die drei
rauchgeschwärzten Schweizer Landschaften, die auf der kalten
Nacktheit der in Weiß und Gold gehaltenen Wände schwarze Flecke
bildeten. Die Gäste verloren sich fast in diesem spärlichen Lichte;
es waren ärmliche, fast abgenützte Gestalten in mühsam
ausstaffierten Toiletten, denen man ein modernes Aussehen zu geben
suchte. Frau Josserand trug das nämliche feuerrote Kleid wie
gestern; allein, um die Leute irre zu führen, hatte sie den ganzen
Tag damit zugebracht, Ärmel an das Leibchen anzunähen, sowie einen
Spitzenumhang, um die Schultern zu bedecken; neben ihr saßen den
ganzen Tag in schmutzigen Jacken ihre Töchter und nähten mit
wütendem Eifer, um ihre einzige Toilette durch neue Garnituren
umzuwandeln, was sie seit dem vorigen Winter schon zum hundertsten
Male taten.
    Nach jedem Läuten hörte man ein Geflüster aus dem Vorzimmer. Man
plauderte mit leiser Stimme in diesem schläfrigen Salon; nur das
gezwungene Gelächter irgendeines Fräuleins unterbrach von Zeit zu
Zeit die Stille. Hinter der kleinen Frau Juzeur saßen Bachelard und
Geueulin, stießen einander mit dem Ellbogen und warfen sich
allerlei Schamlosigkeiten zu. Frau Josserand überwachte sie mit
unruhigen Blicken, denn sie fürchtete das unanständige Betragen
ihres Bruders. Doch Frau Juzeur konnte alles hören; ihre Lippen
zitterten, sie lächelte mit einer engelhaften Sanftmut über die
schlüpfrigen Geschichten dieser Herren. Der Onkel Bachelard hatte
den Ruf eines gefährlichen Mannes, sein Neffe hingegen war keusch.
Selbst bei den verlockendsten Gelegenheiten lehnte Gueulin aus
Grundsatz es ab, sich mit Frauen abzugeben, nicht etwa, weil er sie
verachtete, sondern weil er die auf das Liebesglück folgenden Tage
fürchtete, die – wie er sagte – stets katzenjämmerlich elend
seien.
    Endlich erschien Berta. Sie näherte sich
lebhaft der Mutter und flüsterte ihr zu:
    Ach, ich hatte große Mühe, er wollte nicht zu Bett gehen. Ich
habe ihn fest eingesperrt, aber ich fürchte, daß er drinnen alles
in Trümmer schlägt.
    Frau Josserand zupfte sie jetzt heftig am Kleide. Octave, der in
der Nähe stand, wandte eben den Kopf um.
    Herr Mouret, das ist meine Tochter Berta, sagte sie mit der
zärtlichsten Miene, indem sie ihm ihre Tochter vorstellte. Herr
Octave Mouret, meine Liebe.
    Dabei blickte sie ihre Tochter an. Diese kannte wohl diesen
Blick, der einem Schlachtbefehle glich, und in dem sie die Lehren
von gestern abend wiederfand. Sie gehorchte sofort mit der
Fügsamkeit und dem Gleichmut eines Mädchens, dem es schon
gleichgültig, ob der Zukünftige blond oder braun ist. Sie spielte
ihre Rolle ganz hübsch mit der leichten Anmut der müden,
vielerfahrenen Pariserin; sie plauderte mit Entzücken von dem
schönen Süden, den sie nie gesehen. Octave, an die Steifheit der
Provinzjungfrauen gewöhnt, war bezaubert von diesem Geplauder einer
kleinen Frau, die sich ganz kameradschaftlich mit ihm

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