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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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den Taschen des
Beinkleides. Ihre Hände zitterten: beide wurden rücksichtslos. Sie
waren so erbittert, daß sie den Onkel geohrfeigt hätten. Plötzlich
ließ Berta ein Triumphgeschrei vernehmen: sie zog aus der
Hosentasche des Onkels eine Handvoll Münzen, die sie auf ihrem
Teller ausbreitete und da fand sich unter einigen Kupfer- und
Silbermünzen auch ein Zwanzigfrankenstück.
    Ihr Gesicht glühte, ihre Frisur war in Unordnung geraten.
    Ich hab's! rief sie, das Goldstück in die Luft werfend und
wieder auffangend.
    Die ganze Tischgesellschaft klatschte in die Hände; man fand die
Sache sehr drollig. Es herrschte ein großer Lärm: diese Szene
steigerte die Heiterkeit der Tischgesellschaft aufs höchste. Frau
Josserand betrachtete ihre Töchter mit einem Lächeln mütterlicher
Zärtlichkeit. Der Onkel las seine Münzen wieder zusammen und
bemerkte in lehrhaftem Tone: wer zwanzig Franken haben wolle, müsse
sie auch verdienen. Die beiden Mädchen schnauften müde und
befriedigt an seiner Seite; ihre Lippen zitterten noch vor
Aufregung.
    Da ertönte draußen die Glocke. Das Essen
hatte sich in die Länge gezogen, es kamen schon Gäste zur
Abendgesellschaft. Herr Josserand, der endlich in das Gelächter
seiner Frau eingestimmt hatte, liebte es, bei Tische Lieder von
Béranger zu singen, doch seine Gattin, deren poetischen Geschmack
er dadurch verletzte, befahl ihm zu schweigen. Sie beschleunigte
den Nachtisch, umso mehr als der Onkel, verstimmt durch das
erzwungene Geschenk von zwanzig Franken, Streit suchte. Er beklagte
sich über Leo, der es nicht der Mühe wert gefunden, seinem Oheim
zum Geburtstag Glück zu wünschen. Leo ward erst zur
Abendgesellschaft erwartet. Als man sich endlich von der Tafel
erhob, meldete Adele, daß der Architekt vom dritten Stock und ein
junger Mann gekommen seien.
    Ach ja, der junge Mann, sagte Frau Juzeur und berührte den Arm
Josserands. Sie haben ihn eingeladen? … Ich habe ihn neulich
beim Hausmeister gesehen. Ein sehr netter junger Mann …
    Frau Josserand nahm eben den Arm Trublots, als Saturnin, der
allein bei Tisch geblieben war, und den das ganze Getöse mit den
zwanzig Franken nicht aus seinem dumpfen Brüten aufzustöbern
vermocht hatte, wütend seinen Sessel umstieß und schrie:
    Ich will nicht, bei Gott! Ich will nicht!
    Das hatte seine Mutter von Anbeginn befürchtet. Sie machte Herrn
Josserand ein Zeichen, Frau Juzeur hinwegzuführen. Dann ließ sie
den Arm Trublots fahren, der begriff, was vorging, und verschwand;
doch er schien sich in der Richtung zu irren, denn er nahm seinen
Weg nach der Küche, der Magd Adele auf den Füßen folgend. Bachelard
und Gueulin, ohne sich mit dem »Narren«, wie sie ihn nannten, zu
beschäftigen, trieben in einer Ecke allerlei Scherze, schlugen sich
gegenseitig auf den Bauch und dergleichen mehr.
    Er war zu drollig, sagte Frau Josserand, ich
ahnte, daß heute abend mit ihm noch etwas los sein werde. Komm
rasch, Berta.
    Doch Berta zeigte eben ihrer Schwester das Zwanzigfrankenstück,
Saturnin hatte ein Messer ergriffen und wiederholte:
    Bei Gott! Ich will nicht! Ich werde ihnen den Bauch
aufschlitzen!
    Berta! rief die Mutter verzweifelt.
    Das Mädchen lief eben rechtzeitig hinzu, um ihn bei der Hand zu
fassen und ihn so am Eintritt in den Salon zu verhindern. Sie
schüttelte ihn zornig, während er mit seiner Narrenlogik
erläuterte, was er wolle.
    Laß mich machen … sie müssen »draufgehen« … Ich sage
dir, es wird so besser sein … Ich bin ihrer schmutzigen
Geschichten satt. Sie alle werden uns verraten!
    Das wird endlich zu dumm! schrie Berta. Was willst du, was
redest du da?
    Er sah sie verstört an, bebte in dumpfer Wut und stammelte:
    Man will dich wieder verheiraten … Niemals, hörst du …
Ich will nicht, daß man dir Schlimmes zufüge …
    Das junge Mädchen konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Woher
hatte er die Kenntnis, daß man sie verheiraten wolle? Er aber
winkte mit dem Kopfe: er wisse es und fühle es. Als seine Mutter
dazwischentrat, um ihn zu besänftigen, faßte er das Messer mit
solcher Entschlossenheit, daß sie erschrocken zurückwich. Sie
zitterte indes, daß diese Szene gehört werden könne, und bat Berta,
ihn hinwegzuführen und in seiner Stube einzusperren. Er ward jedoch
immer wilder und schrie immer lauter:
    Ich will nicht, daß man dir weh tut! Wenn man
dich verheiratet, werde ich ihnen den Bauch aufschlitzen!
    Da legte ihm Berta die Hände auf die Schultern, sah ihn scharf
an und

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