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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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nannten das Ding beim rechten Namen. Alles in allem sei dieser
Theophil ein Kretin und Unvermögender, der es verdiene, das zu
sein, wozu seine Frau ihn mache. Valerie selbst tauge nicht viel;
sie werde sich gewiß ebenso schlecht betragen, wenn ihr Mann sie
befriedigt hätte, denn ihr Wesen reiße sie fort. Es sei übrigens
bekannt, daß sie, als sie zwei Monate nach ihrer Verheiratung zu
ihrer Verzweiflung sah, daß sie von ihrem Manne niemals ein Kind
bekommen werde und daher Gefahr laufe, falls ihr Mann sterbe, die
Erbschaft des alten Vabre zu verlieren, sich ihren kleinen Camille
von einem Fleischerburschen aus der Annen-Straße hatte machen
lassen.
    Campardon neigte sich ein letztes Mal zu Octave und
flüsterte:
    Schließlich: – Sie werden begreifen, mein Lieber – sie ist eine
hysterische Frau.
    Er sprach dieses Wort mit der ganzen Unzüchtigkeit des
ausgelassenen Spießbürgers, mit dem »vertrackten« Lächeln des
Familienvaters aus, dessen plötzlich entfesselte Phantasie sich
Szenen schlimmster Art ausmalte. Angela schaute auf ihren Teller
und vermied den Blick Lisas, um nicht lachen zu müssen. Das
Gespräch nahm jetzt eine andere Wendung, man sprach von den Piehons
und war unerschöpflich in Lobeserhebungen.
    Diese wackeren Leute! sagte Frau Campardon wiederholt Zuweilen
erlaube ich Marie, wenn sie ihre kleine Lilitte spazieren führt,
meine Angela mitzunehmen. Ich beteure Ihnen, Herr Mouret, daß ich
meine Tochter nicht der erstbesten anvertraue: ich muß der
Moralität der betreffenden Person vollkommen sicher sein. Nicht
wahr, Angela, du liebst Marie sehr?
    Ja, Mama.
    Dann folgten weitere Einzelheiten über Frau Pichon. Man konnte
kaum eine Frau von besserer Erziehung und strengeren Grundsätzen
finden. Ihr Gatte ist denn auch sehr glücklich. Ein recht nettes,
liebes Ehepaar, das sich gegenseitig anbetet, und bei dem man nie
ein lautes Wort hört.
    Man würde sie auch gar nicht im Hause behalten, wenn sie sich
schlecht aufführten, sagte der Architekt ernst, indem er seine
vertraulichen Mitteilungen über Valerie ganz vergaß. Wir wollen in
diesem Hause nur ehrbare Leute … Auf Ehre, ich würde die Miete
an dem Tage kündigen, an dem meine Tochter der Gefahr ausgesetzt
wäre, auf der Treppe unsoliden Leuten zu begegnen.
    Er sollte diesen Abend insgeheim seine Kusine Gasparine in die
Komische Oper führen. Er nahm denn auch gleich nach Beendigung des
Essens seinen Hut, indem er ein Geschäft vorschützte, das ihn bis
in die späte Nacht zurückhalten werde. Rosa schien jedoch von
dieser Partie Kenntnis zu haben, denn als Campardon seine Gattin
mit vieler Zärtlichkeit küßte, hörte Octave sie in ihrem ruhigen,
mütterlichen Tone flüstern:
    Amüsiere dich gut, mein Liebster, und gib acht, daß du dich
nicht erkältest.
    Am folgenden Tage hatte Octave einen Einfall: er gedachte Frau
Pichon durch kleine Dienste zu gewinnen und sie in sein Spiel zu
ziehen; dadurch hoffte er zu erreichen, daß sie die Augen zudrücken
werde, wenn sie zufällig einmal Valerie überrasche. Noch am
nämlichen Tage bot sich ihm eine Gelegenheit. Frau Pichon hatte die
Gewohnheit, ihre Lilitte, die damals anderthalb Jahre alt war, in
einem kleinen Korbwägelchen spazieren zu fahren; dieses Wägelchen
war Herrn Gourd ein großes Ärgernis; er wollte niemals einwilligen,
daß es über die Haupttreppe hinaufgeschafft werde, man mußte es über die Dienstbotentreppe
hinaufbringen und, da oben die Türe der Wohnung zu eng war, mußte
man jedesmal Räder und Deichsel ausheben, was eine ganze Arbeit
war. An diesem Tage kam Octave eben hinzu, als seine Nachbarin,
durch ihre Handschuhe behindert, sich viele Mühe gab, die Schrauben
auszuziehen. Als sie merkte, daß er hinter ihr stehe und warte, bis
sie den Gang freimache, verlor sie vollends den Kopf; ihre Hände
zitterten.
    Aber Gnädige, sagte er, warum machen Sie sich so viele Mühe? Es
wäre doch einfacher, diesen Wagen dort im Hintergrunde des Ganges
hinter meiner Türe stehen zu lassen.
    In ihrer außerordentlichen Schüchternheit fand sie keine
Antwort, sie verharrte in hockender Stellung, es fehlte ihr die
Kraft, sich zu erheben; und er sah, wie unter dem Halbschleier
ihres Hutes eine lebhafte Röte ihren Nacken bis zu den Ohren
färbte.
    Ich beteuere Ihnen, Gnädige, daß mich dies nicht im geringsten
genieren würde.
    Ohne eine Antwort weiter abzuwarten, ergriff er den Wagen und
trug ihn behende davon. Sie mußte ihm folgen, doch war sie dermaßen
verlegen über

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