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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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dieses seltsame Abenteuer in ihrem einfachen
Alltagsleben, daß sie ihn ruhig gewähren ließ und nichts als einige
abgebrochene Sätze zu stammeln vermochte.
    Aber, mein Herr, Sie machen sich zuviel Mühe … Ich bin in
Verwirrung … Sie werden sich ja den Raum verlegen… Mein Mann
wird Ihnen sehr dankbar sein.
    Dann kehrte sie in ihre Wohnung zurück, wo sie sich fester
einschloß, als ob sie sich schäme. Octave hielt sie für dumm. Der
Korbwagen genierte ihn sehr, denn er hinderte ihn, seine Tür
aufzumachen, und er mußte sich schräg hineinzwängen. Allein seine Nachbarin war gewonnen,
umso mehr als Herr Gourd dank dem Einflüsse Campardons einwilligte,
daß der Korbwagen im Hintergrunde jenes Raumes stehe.
    Jeden Sonntag kamen die Eltern Maries, Herr und Frau Vuillaume,
zu ihren Kindern, um da den Tag zu verbringen. Als Octave am
nächsten Sonntag ausging, sah er die ganze Familie beim Kaffee
sitzen; er beschleunigte seine Schritte, um rasch vorbeizukommen;
allein er sah, wie Frau Pichon sich lebhaft zum Ohr ihres Gatten
neigte, worauf sich dieser rasch erhob und in der Tür zu ihm
sagte:
    Entschuldigen Sie, mein Herr! Ich bin fast immer außer dem Hause
und hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen zu danken. Doch drängt es
mich, Ihnen zu sagen, wie sehr ich neulich erfreut war …
    Octave winkte ab. Doch endlich mußte er bei den Pichons
eintreten. Obgleich er schon Kaffee getrunken hatte, nötigte man
ihn dennoch, eine Tasse anzunehmen. Man wies ihm den Ehrenplatz
zwischen Herrn und Frau Vuillaume an. Ihm gegenüber, an der andern
Seite des Tisches saß Frau Pichon in fortwährender Verwirrung, die
ihr jeden Augenblick ohne sichtlichen Grund das Blut in die Wangen
trieb. Er betrachtete sie, denn er hatte sie noch niemals genau
gesehen. Sie war – wie Trublot gesagt – nicht sein Ideal; er fand
sie ärmlich, unansehnlich, mit einem gewöhnlichen Gesichte und
dünnen Haaren; die Züge waren jedoch fein und hübsch. Als sie sich
ein wenig gefaßt hatte, kam sie, wiederholt fröhlich lachend, auf
den Vorfall mit dem Wägelchen zu sprechen. Sie war unerschöpflich
an Bemerkungen darüber.
    Julius, wenn du den Herrn gesehen hättest, wie er den Wagen
trug … Es ging sehr rasch …
    Pichon dankte von neuem. Er war groß und mager,
hatte ein leidendes Aussehen, seine Gestalt
war gebeugt von dem ewigen Büroleben.
    Reden wir nicht weiter davon! sagte Octave. Es ist wahrlich
nicht der Mühe wert … Gnädige, Ihr Kaffee ist ausgezeichnet,
ich habe niemals besseren getrunken.
    Sie errötete von neuem dermaßen, daß selbst ihre Hände eine
rosige Färbung annahmen.
    Verhätscheln Sie sie nicht, mein Herr, sagte Herr Vuillaume
ernst. Ihr Kaffee ist gut, aber es gibt noch besseren Kaffee. Sie
sehen, wie stolz Sie sie mit ihren Lobsprüchen gemacht haben.
    Der Stolz ist nicht gut, bemerkte Frau Vuillaume ihrerseits. Wir
haben ihr stets die Bescheidenheit empfohlen.
    Es waren zwei alte, vertrocknete Leute mit bleichen Gesichtern;
die Frau trug ein enges schwarzes Kleid, der Mann einen
fadenscheinigen Überrock, an dem man nichts sah als ein breites,
rotes Ordensband.
    Mein Herr, sagte der kleine Greis, ich bin mit sechzig Jahren
ausgezeichnet worden an dem Tage, da ich nach einer Dienstzeit von
neununddreißig Jahren im Unterrichtsministerium in Pension ging!
Ich habe an jenem Tage gerade so gesessen wie sonst; der Stolz hat
mich nicht aus meinen Gewohnheiten gebracht. Das Kreuz gebührte
mir, ich wußte es; nur war meine Seele von Dankbarkeit erfüllt.
    Die Blicke auf seinen Schwiegersohn gerichtet, der gleich ihm
mit zwanzig Jahren in das Ministerium eingetreten war, legte er
Octave freimütig seine Lage dar. Seine Existenz sei einfach und
klar, jedermann solle sie kennen lernen, sagte er. Nach
fünfundzwanzig Dienstjahren war sein Gehalt auf viertausend Franken
gestiegen; er hatte demnach Aussicht auf eine Pension von
zweitausend Franken. Allein er mußte schon mit fünfzehnhundert
Franken sich zurückziehen, weil Marie als Spätling zur Welt kam zu
einer Zeit, da Frau Vuillaume keine Kinder
mehr zu bekommen hoffte. Jetzt, da Marie versorgt war, lebten sie
eingeschränkt in der Durantin-Straße am Montmartre, weil dort das
Leben wohlfeiler sei.
    Ich bin sechsundsiebzig Jahre alt, schloß er, und da ist mein
Schwiegersohn.
    Still und matt schaute Pichon ihn an, die Augen auf das
Verdienstkreuz gerichtet. Ja, das wird auch seine Geschichte sein,
wenn er vom Glück begünstigt wird. Er war der Sohn

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