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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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einer
Obsthändlerin, die ihren ganzen Handel daran setzte, um aus ihrem
Sohn einen »studierten« Menschen zu machen, weil man im ganzen
Stadtviertel sagte, daß er gar so gescheit sei, und sie war
zahlungsunfähig gestorben acht Tage vor seinem Triumph auf der
Sorbonne. Nach drei Jahren der Arbeit und Entbehrungen, die er bei
einem Onkel zugebracht, hatte er endlich das unverhoffte Glück, ins
Ministerium eintreten zu können, das alle seine Träume
verwirklichen sollte, und wo er sich bereits verheiratet hatte.
    Man tut seine Pflicht, und die Regierung tut die ihre, murmelte
er und berechnete im stillen, daß er noch sechsunddreißig Jahre zu
warten habe, bis er ausgezeichnet werde und eine Pension von
zweitausend Franken erhalte.
    Dann wandte er sich zu Octave und sagte:
    Sehen Sie, mein Herr, die Kinder sind es, die uns das Dasein
erschweren.
    Gewiß, sagte Frau Vuillaume. Hätten wir noch ein zweites Kind
bekommen, so würden wir nie das Auslangen gefunden haben … Sie
werden sich wohl auch erinnern, Julius, was ich von Ihnen
verlangte, als ich Ihnen Marie gab: ein Kind, nicht mehr, oder wir
werden böse miteinander. Nur die Arbeiter setzen Kinder wie die
Küchlein in die Welt, unbekümmert darum, was es kosten wird.
Allerdings lassen sie sie dann auf dem
Pflaster wie die Viehherden. Wie oft bekümmert mich dieser traurige
Anblick! …
    Octave hatte einen Blick auf Marie geworfen, denn er dachte,
dieser heikle Gegenstand müsse ihr die Schamröte ins Gesicht
treiben. Doch sie war bleich geblieben und hatte den Ausführungen
ihrer Mutter mit der Ruhe einer keuschen Jungfrau zugestimmt.
Octave langweilte sich tödlich und wußte nicht, wie er sich in
passender Weise entfernen solle. So verbrachten diese Leute den
Nachmittag in dem kleinen, kalten Speisezimmer, indem sie alle fünf
Minuten einige langsam gesprochene Worte vernehmen ließen und nur
von ihren eigenen Angelegenheiten sprachen.
    Jetzt setzte Frau Vuillaume ihre Gedanken auseinander. Nach
längerem Stillschweigen, während dessen alle vier sich frische
Gedanken zu bilden schienen, sagte sie:
    Sie haben kein Kind, mein Herr? Nun, das wird kommen … Ein
Kind bedeutet eine schwere Verantwortlichkeit besonders für eine
Mutter. Ich war neunundvierzig Jahre alt, mein Herr, als diese
Kleine zur Welt kam, demnach in einem Alter, wo man sich
glücklicherweise schon zu benehmen weiß. Ein Knabe – nun, der
wächst sozusagen von selbst auf, aber ein Mädchen! Ich habe das
tröstliche Bewußtsein, meine Pflicht erfüllt zu haben, o ja.
    Dann entwickelte sie in kurzen Sätzen ihren Erziehungsplan. Vor
allem rechtschaffen. Keine Spielerei auf den Treppen; die Kleine
immer in der Nähe behalten, denn die Mädchen denken nur an
Schlimmes. Türen und Fenster müssen geschlossen bleiben; nur kein
Luftzug, der von der Straße häßliche Dinge hereinweht. Draußen darf
das Kind nicht von der Hand gelassen werden: man muß es gewöhnen,
auf den Boden zu blicken, um jedem häßlichen Schauspiel
auszuweichen. In Sachen der Religion kein Mißbrauch, nur soviel,
wie zur Wahrung der Sittlichkeit notwendig ist. Wenn das Mädchen größer wird, soll man
Lehrerinnen nehmen, sie nicht in Pensionen stecken, wo die Unschuld
verdorben wird; man muß ferner den Lektionen beiwohnen, darüber
wachen, daß sie nicht erfahre, was sie nicht wissen soll, die
Zeitungen verstecken, die Bibliothek verschließen.
    Ein Mädchen erfährt von diesen Dingen noch immer zuviel, schloß
die würdige Dame.
    Während ihre Mutter sprach, schaute Marie mit ihren
ausdruckslosen Augen ins Leere. Sie sah die kleine verschlossene
Wohnung mit den engen Zimmerchen in der Durantin-Straße wieder, wo
es ihr nicht gestattet war, sieh auf das Fenstergesims zu lehnen.
Es war eine ins Jungfrauenalter hinein verlängerte Kindheit,
allerlei Verbote, die sie nicht begriff; ganze Zeilen, die ihre
Mutter in dem Modejournal durchstrich, und über deren schwarze
Barren sie erröten mußte; »gereinigte« Lektionen, die selbst die
Lehrerinnen beim Ausfragen in Verlegenheit brachten. Es war
übrigens eine sanfte Kindheit, ein mildes Emporwachsen in einem
warmen Treibhause; noch jetzt schwebte bei diesen Erinnerungen ein
kindliches Lächeln auf den Lippen dieser Frau, die in der Ehe
unwissend geblieben war.
    Sie können es mir glauben, mein Herr, sagte Herr Vuillaume;
meine Tochter hatte mit achtzehn Jahren noch keinen Roman
gelesen … Nicht wahr, Marie?
    Ja, Papa.
    Ich besitze, fuhr er fort, die Romane George Sands

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