Der häusliche Herd
Gesichtsfarbe und in dem geschmeidigen Wiegen ihrer
Taille.
Sein Plan war fertig, der kühne Plan eines Verführers, der
gewohnt ist mit der Tugend der Ladenmädchen zu spielen. Es handelte
sich einfach darum, Valerie in sein Zimmer im vierten Stock
hinaufzulocken; die Treppe lag in feierlicher Stille da; niemand
werde sie da oben entdecken; er lächelte bei dem Gedanken an die
sittlichen Ermahnungen des Architekten, denn eine Frau
»
im Hause
nehmen« heißt ja nicht, eine Frau
»
ins Haus
nehmen«.
Ein Umstand beunruhigte jedoch Octave. Die Küche der Familie
Pichon war von ihrem Speisezimmer durch den Gang getrennt, wodurch
sie genötigt waren, ihre Türe häufig offen zu lassen. Um neun Uhr
begab sich der Mann in sein Büro, um erst gegen fünf Uhr
heimzukehren; an den geraden Tagen der
Woche ging er nach dem Essen noch aus, um von acht Uhr bis
Mitternacht in einem Geschäfte die Bücher zu führen. Die junge Frau
war übrigens sehr scheu und pflegte, sobald sie den Schritt Octaves
hörte, die Türe hastig zuzuwerfen. Er sah sie stets nur von
rückwärts, gleichsam fliehend, mit ihren mattblonden Haaren, die in
einem einzigen kleinen Knoten aufgesteckt waren. Durch die
halboffene Tür hatte er bisher nur kleine Streifen ihres Hauswesens
entdeckt, ärmliche, aber reinlich gehaltene Möbel von Mahagoni,
Wäschestücke von einer erloschenen Weiße bei dem trüben Lichte
eines Fensters, das er nicht sehen konnte, die Ecke eines
Kinderbettchens im Hintergrunde eines zweiten Zimmers: die ganze
eintönige Einsamkeit einer Frau, die vom Morgen bis zum Abend in
dem kärglichen Haushalte eines Beamten reichlich zu schaffen hat.
Übrigens hörte man niemals das geringste Geräusch; das Kind schien
stumm und müde wie die Mutter; kaum hörte man hier und da das leise
Summen eines Liedes, das die junge Frau vor sich hinsang. Octave
war indes wütend über »dieses Äffchen«, wie er sie nannte, sie
spionierte ihm vielleicht gar nach. Wenn die Türe dieser Pichons
fortwährend so offen stand, werde Valerie niemals zu ihm
hinaufkommen können.
Er war der Meinung, daß seine Angelegenheit im besten Gange sei.
An einem Sonntage – der Gatte war eben abwesend – hatte Octave so
geschickt zu manövrieren gewußt, daß er sich in dem Augenblick auf
dem Treppenabsatz des ersten Stockwerkes befand, als Frau Valerie,
bloß mit einem Frisiermantel bekleidet, von ihrer Schwägerin
kommend, in ihre Wohnung zurückkehrte Sie konnte es nicht
vermeiden, seine Anrede zu erwidern; sie blieben einige Minuten
beisammen und tauschten Artigkeiten aus. Er schied mit der
Hoffnung, ein nächstes Mal auch in ihre Wohnung eingelassen zu werden. Das andere werde sich bei einer
Frau von solchem Wesen von selbst finden.
An jenem Abende ward bei den Campardons am Mittagstische von
Valerie gesprochen. Octave suchte das Ehepaar Campardon zu
Äußerungen über die junge Frau zu bewegen. Allein da Angela die
Ohren spitzte und heimliche Blicke auf Lisa warf, die mit ernster
Miene eine Hammelkeule auftrug, verbreiteten die Eltern sich zuerst
in Lobeserhebungen über Frau Vabre. Der Architekt trat übrigens
jederzeit für die Achtung des Hauses ein mit der Überzeugung eines
stolzen Mieters, der aus der Rechtschaffenheit des Hauses auch für
die eigene Person den entsprechenden Teil ableitete.
0, mein Lieber! Sehr anständige Leute … Sie haben sie ja
bei den Josserands gesehen. Der Mann ist durchaus nicht dumm; er
ist vielmehr reich an Gedanken und wird schließlich etwas
Bedeutendes erfinden. Was die Frau betrifft, so hat sie ihren
eigenen »Stempel« – wie wir Künstler sagen.
Frau Campardon – die seit gestern wieder mehr litt und bei
Tische mehr lag als saß, was sie nicht hinderte, bedeutende Stücke
des halb blutigen Bratens zu verzehren, – fügte schmachtend
hinzu:
Der arme Theophil … Es geht ihm wie mir: er ist immer
siech … Sehen Sie, Valerie ist eine verdienstvolle Person;
denn es ist wahrhaftig nicht sehr angenehm, an der Seite eines
Mannes zu leben, der fortwährend vom Fieber geschüttelt wird, und
den sein Zustand oft zänkisch und ungerecht macht.
Beim Nachtisch jedoch erfuhr Octave, der zwischen dem
Architekten und dessen Frau saß, über diesen Gegenstand mehr, als
er verlangt hatte. Sie vergaßen Angelas Anwesenheit, sprachen in
halben Worten und verliehen dem Doppelsinn ihrer Äußerungen durch
Augenzwinkern den entsprechenden Nachdruck;
wenn ihnen ein Ausdruck fehlte, neigten sie sich zum Ohr Octaves
und
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