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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ruhe.
    Octave stand hinter ihrem Sessel und schielte auf die
pechschwarzen, gekräuselten Härchen in ihrem Nacken und auf den
tief ausgeschnittenen schneeweißen Busen, der sich in einer
Spitzenwolke verlor. Mit ihrer Ruhe, ihrer Enthaltsamkeit im Reden
und ihrem immerwährenden Lächeln brachte sie ihn immer mehr in
Verwirrung; niemals war er einem solchen Geschöpfe begegnet, selbst
in Marseille nicht. Entschieden mußte er ihre Eroberung
unternehmen, und wenn die Sache noch so lange währen
sollte! …
    Die Kinder richten die Frauen so schnell zu Grunde, sagte er,
sich zu ihrem Ohre neigend, da er durchaus das Wort an sie richten
wollte und nichts anderes zu sagen fand.
    Sie erhob langsam ihre großen Augen und erwiderte mit der
nämlichen Ruhe, mit der sie ihm einen Auftrag im Laden erteilt
haben würde:
    Nein, Herr Octave. Bei mir ist es nicht deshalb … Aber man
braucht viel Zeit für sie.
    Jetzt mengte auch Frau Duverdy sich ins Gespräch. Sie hatte den
jungen Mann, als Campardon ihn ihr vorstellte, mit einem leisen
Kopfnicken empfangen; jetzt beobachtete sie ihn und konnte ihr
plötzlich erwachtes Interesse gar nicht verheimlichen. Als sie ihn
mit ihrer Freundin sprechen hörte, konnte sie nicht umhin, ihn zu
fragen:
    Vergeben Sie, mein Herr: was für eine Stimme haben Sie?
    Er begriff nicht sogleich, sagte aber endlich, daß er eine
Tenorstimme habe. Clotilde war entzückt. Welches Glück, eine
Tenorstimme gefunden zu haben! Die Tenorstimmen sind so; selten! Für die »Schwerterweihe« aus den
»Hugenotten«, die man sogleich singen werde, habe sie in der
Gesellschaft nie mehr als drei Tenorstimmen auftreiben können, und
sie brauche mindestens fünf. Sie war in Aufregung geraten, ihre
Augen leuchteten, und sie mußte sieh Gewalt antun, um nicht zum
Klavier zu eilen und ihn sofort zu »probieren«. Er mußte ihr
versprechen, zu diesem Zwecke eines Abends bei ihr zu erscheinen,
und fügte hinzu, daß es ihn freuen werde, ihr dienen zu können.
Trublot, der hinter ihm stand, stieß ihn mit dem Ellbogen; er trug
äußerlich die größte Ruhe zur Schau, während er innerlich von
wilder Freude erfüllt war.
    Hei, Sie sind ja auf dem rechten Wege! flüsterte er, als sie
sich entfernt hatte. Bei mir hat sie zuerst eine Baritonstimme
entdeckt; als sie sah, daß es nicht ging, hat sie mich als Tenor
versucht, und als das auch nicht gehen wollte, entschied sie sich
dafür, daß ich Baß singen soll. Heute Abend singe ich einen
Mönch …
    Jetzt mußte er Octave verlassen, denn Frau Duverdy rief ihn: man
schickte sich an, den Chor vorzutragen, das Hauptstück des Abends.
Es entstand eine allgemeine Bewegung. Fünfzehn Herren, durchwegs
Dilettanten, unter den Gästen des Hauses ausgewählt, brachen sich
mühsam Bahn durch die Damen, um sich vor dem Klavier zu vereinigen.
Von Zeit zu Zeit blieben sie stehen, entschuldigten sich, ihre
Stimmen wurden durch das Gesumme der Unterhaltung übertönt, während
die Fächer in der steigenden Hitze immer heftiger und rascher
gehandhabt wurden. Endlich zählte Frau Duverdy ihre Sänger ab; sie
waren vollzählig versammelt, und sie verteilte die Partien unter
sie, die sie selbst abgeschrieben hatte. Campardon sang den »Saint
Bris«; ein junger Beamter des Staatsrates hatte einige Takte aus
der Rolle des »Nevers« zu singen, dann kamen acht Adelige, vier Schoppen und drei Mönche, dargestellt
durch Advokaten, Beamte und kleinere Hausbesitzer. Sie selbst
besorgte die Begleitung und überdies die Rolle der »Valentine« –
leidenschaftliche Schreie mit wütenden Akkorden begleitet – denn
sie wollte keine Damen in diese Herrentruppe einführen, die sie mit
der Rücksichtslosigkeit eines Kapellmeisters dirigierte.
    Inzwischen dauerte die Unterhaltung fort; insbesondere drang ein
greulicher Lärm aus dem kleinen Salon, wo die politische Erörterung
sich zu verbittern drohte. Da zog Clotilde einen Schlüssel aus der
Tasche und klopfte damit auf den Flügel. Es entstand ein Gemurmel;
die Stimmen dämpften sich; es drängten von neuem zwei Gruppen
schwarzer Herrenröcke zu den Türen; über alle Köpfe hinausragend
ward einen Augenblick das gerötete, angstvolle Antlitz Duverdys
sichtbar. Octave stand noch immer hinter Frau Hedouin im Anblicke
ihres Busens versunken. Inmitten der Stille vernahm man plötzlich
ein lautes Gelächter. Octave blickte auf. Es war Berta, die durch
ein etwas allzu lebhaftes Wort August Vabres erheitert wurde, dem
sie durch ihre Neckereien den Kopf

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