Der häusliche Herd
Baumeister erklärte sich bereit, da das
Bistum von Evreux ihn jetzt wenig beschäftige. Es sei unten nur
eine Kanzel zu errichten und neue Herde in die Küchen Sr.
Hochwürden des Bischofs zu stellen. Diese
Arbeiten könne auch sein Inspektor überwachen. Der Abbé versprach,
die Angelegenheit in der nächsten Versammlung der Kirchenverwaltung
durchzusetzen. Dann begaben sie sich wieder zur Gruppe der übrigen
Herren, wo man eben Herrn Duverdy zu einem Urteil gratulierte, als
dessen Verfasser er sich bekannte. Sein Präsident beauftragte ihn
nicht selten mit solchen außerordentlichen Arbeiten, die geeignet
seien, die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken.
Haben die Herren diesen neuen Roman gelesen? fragte Leo, in
einem auf dem Tische liegenden Hefte der »Revue des Deux-Mondes«
blätternd. Er ist gut geschrieben, aber schon wieder ein Ehebruch!
Das wird schließlich widerwärtig!
Man sprach jetzt von der Moral. Es gebe sehr ehrbare Frauen,
versicherte Campardon. Die anderen stimmten ihm bei. Man kann,
meinte der Architekt weiter, sich in der Ehe immer verständigen,
wenn man es klug und taktvoll einzurichten weiß. Theophil Vabre
behauptete, ohne sich näher zu erklären, dies hänge stets von der
Frau ab. Man wollte die Ansicht des Doktor Juillerat hören. Dieser
lächelte und sagte: die Tugend liege in der Gesundheit. Herr
Duverdy war nachdenklich geworden.
Mein Gott! sagte er endlich, die Verfasser übertreiben. In den
wohlerzogenen Klassen ist der Ehebruch sehr selten. Eine Frau aus
guter Familie hat stets eine Blüte im Herzen …
Er war ein Mann der Hochgefühle und konnte das Wort »Ideal« nie
ohne eine tiefe Bewegung aussprechen, die seine Blicke
verschleierte. Er gab dem Abbé Mauduit recht, als dieser von der
Notwendigkeit eines religiösen Glaubens bei der Gattin und Mutter
sprach. So ward die Unterhaltung auf die Religion und Politik
zurückgeführt, auf den Punkt, von dem die
Herren ausgegangen waren. Der Abbé blieb dabei: die Kirche wird
niemals untergehen, denn sie ist die Grundlage der Familie und die
Stütze der Regierungen.
Unter dem Titel der Polizei, ja, das gebe ich zu: bemerkte der
Doktor Juillerat.
Duverdy liebte es übrigens nicht, wenn in seinem Hause über
Politik gesprochen ward, und begnügte sich – einen Blick in den
Speisesaal werfend, wo Berta und Hortense damit beschäftigt waren,
August Vabre mit Brötchen vollzustopfen – in ernstem Tone zu
sagen:
Es gibt eine bewährte Tatsache, meine Herren: die Religion gibt
der Ehe eine sittliche Grundlage.
Im nämlichen Augenblicke neigte sich Trublot zu dem neben ihm
sitzenden Octave.
Beiläufig, fragte er, soll ich Ihnen eine Einladung zu einer
Frau verschaffen, bei der man sich unterhält?
Octave wollte wissen, welcher Art diese Frau sei. Darauf zeigte
Trublot auf den Berufungsrat hin und sagte:
Seine Geliebte.
Unmöglich! rief Octave betroffen.
Trublot öffnete und schloß langsam die Augenwimpern. Es sei wie
er sage, versicherte er. Wenn man sich eine Frau nimmt, die nicht
sehr freundlichen Temperaments ist bei jedem kleinen Übel, das uns
heimsucht, gleich die Geduld verliert und fortwährend auf dem
Klavier herumhackt, daß alle Hunde des Stadtviertels davon toll
werden: so sucht man, auswärts für die Langeweile der Häuslichkeit
sich zu entschädigen.
Trachten wir, der Ehe eine sittliche Grundlage zu geben, meine
Herren! wiederholte Herr Duverdy mit strenger Miene und entflammtem
Gesichte, in dem Octave jetzt das scharfe Blut der geheimen Laster
sah.
Die Herren wurden jetzt in den Speisesaal gerufen.
Der Abbé Mauduit, einen Augenblick allein
gelassen, betrachtete durch die weit geöffnete Tür das Gewühl der
Gäste. In seinem feisten Gesichte mit den feinen Zügen lag ein
Ausdruck der Trauer. Er, der Beichtvater von allen diesen Frauen
und Mädchen, kannte sie bis in das Innerste ihres Leibes, geradeso
wie der Doktor Juillerat, und trachtete nur mehr, darüber zu
wachen, daß der äußere Schein gewahrt bleibe; er wachte darüber wie
ein Zeremonienmeister und warf den Mantel der christlichen Milde
über diese verderbte bürgerliche Gesellschaft, zitternd bei dem
Gedanken an die Schlußkatastrophe, die unvermeidlich an dem Tage
eintreten müsse, an dem der Krebsschaden offenkundig werde.
Zuweilen empörte sich der eifrige und aufrichtige Priesterglaube
in ihm. Doch das Lächeln erschien endlich wieder auf seine Lippen.
Er nahm eine Tasse Tee von Berta an und unterhielt sich einen
Augenblick mit
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