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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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derart warm gemacht hatte, daß
er allerlei starke Dinge redete. Der ganze Saal schaute auf sie.
Die Mütter wurden ernst; die Leute blickten einander bedeutungsvoll
an.
    Ist die heute mutwillig! sprach Frau Josserand zärtlich, aber
laut genug, um gehört zu werden.
    Hortense saß neben ihrer Schwester und leistete ihr Beistand mit
gefälliger Selbstverleugnung; sie stimmte in ihr Gelächter ein und
drängte sie gegen den jungen Mann, während hinter ihr beim
halboffenen Fenster leichte Windstöße hereindrangen, welche die
großen rotseidenen Vorhänge bewegten.
    Jetzt setzte eine Grabesstimme ein; alle Köpfe
wandten sich dem Klavier zu. Campardon
begann mit gerundetem Munde:
    »Ja, der Königin Befehl vereinigt uns an diesem
Ort … «
    Clotilde spielte eine auf- und absteigende Skala; dann stieß
sie, die Augen zum Plafond erhoben, einen Schrei des Schreckens
aus:
    »Ich zittere!«
    Und die Szene ging an. Die acht Advokaten, Beamten und kleinen
Hausbesitzer standen da, mit den Nasen in ihren Noten, in der
Stellung von Schülern, die ein Blatt Griechisch herstottern, und
schwuren, daß sie bereit seien, Frankreich zu befreien. Die Szene
rief Überraschung hervor; die Stimmen erstickten unter der
niedrigen Decke; man hörte nichts als ein Gerassel wie von mehreren
Lastwagen, die über das Pflaster poltern, daß die Fensterscheiben
davon erzittern. Allein als die melodische Partie des Saint Bris –
»Für diese heilige Sache … « – das Hauptthema entwickelte,
fanden sich die Damen wieder zurecht und nickten zustimmend. Die
Zuhörer erwärmten sich; die Adeligen sangen aus voller Kehle: »Wir
schwören es! … Wir folgen euch!« Jeder Schrei war wie eine
Explosion, welche die Gäste in voller Brust traf.
    Sie singen zu stark, flüsterte Octave der Frau Hédouin ins
Ohr.
    Sie rührte sich nicht. Als die Auseinandersetzungen zwischen
Nevers und Valentine ihn langweilten, um so mehr als der Beamte vom
Staatsrate ein falscher Bariton war, begann er mit Trublot Blicke
auszutauchen, der den Antritt der Mönche erwartend, mit den
Augenwimpern nach dem Fenster zeigte, wo Berta fortfuhr, Herrn
August Vabre gefangen zu halten. Sie saßen jetzt allein, angeweht
von der frischen Luft von außen, während Hortense weiter
vorgegangen war, sich an den Vorhang lehnte und
mechanisch an der Einhängschnur drehte.
Niemand beobachtete sie mehr; auch Frau Josserand und Frau
Dambreville hatten nach einem Austausch von verständnisinnigen
Blicken die Köpfe von ihnen weggewendet.
    Clotilde, die Hände auf dem Klavier und verhindert, eine Gebärde
zu machen, sang jetzt mit vorgestrecktem Halse:
    »Ach, Euer ist von heut' ab 
All mein Blut!«
    Die Schöppen waren eingetreten: ein unterer Beamter, zwei kleine
Advokaten und ein Notar. Das Quartett machte Aufruhr. Die Melodie
»Für diese heilige Sache«, ausgeweitet und unterstützt von der
Hälfte des Chors, kehrte wieder und entwickelte sich immerfort.
Campardon, den Mund immer mehr gerundet, erteilte die Befehle der
Schlacht in einem schrecklichen Gedonner der Silben. Plötzlich
brach der Gesang der Mönche los: Trublot psalmodierte aus dem
Bauche, um die tiefen Baßtöne zu erreichen.
    Octave, sehr begierig ihn singen zu sehen, war sehr überrascht,
als er die Blicke nach dem Fenster richtete. Hortense hatte, durch
den Chor erregt, gleichsam mit einer unwillkürlichen Bewegung die
Einhängeschnur des Vorhanges losgemacht und der große, rotseidene
Vorhang hatte, indem er zurückfiel, Berta und August vollständig
verdeckt. So standen sie hinter dem Vorhang, an das Fenstergesims
gelehnt; nicht die geringste Bewegung verriet ihre Anwesenheit.
Octave kümmerte sich nicht weiter um Trublot, der soeben die
Schwerter weihte: »Ihr heiligen Klingen, geweiht durch uns … «
Was sie wohl machen hinter dem Vorhang? … Es begann die
Stretta: auf das Gebrumme der Mönche erwiderte der Chor: »In den
Tod! In den Tod!« Noch immer keine Bewegung hinter dem Vorhang;
vielleicht betrachteten sie ganz einfach die unten
vorbeifahrendenDroschken und suchten Kühlung
gegen die im Saale herrschende Hitze …
    Nochmals ertönte jetzt Saint Bris' melodische Tonreihe, alle
Stimmen sangen sie nacheinander einfallend, mit voller Kehle, in
einer Steigerung, in einem Schlußausbruch von außerordentlicher
Gewalt. Es war wie ein Wirbelwind, der sich in dem ihm zu engen
Räume fängt, die Kerzen flattern und die Gäste erbleichen macht,
denen die Ohren gellen. Clotilde bearbeitete wütend das

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