Der häusliche Herd
Honigmonat und paradierten miteinander in den Salons der
Spießbürger. Ein Zischeln und Flüstern machte die Runde unter den
Müttern, die ihre Töchter zu verheiraten hatten. Doch Frau Duverdy
eilte Frau Dambreville entgegen, denn diese lieferte ihr junge
Leute für ihre Gesangschöre; Frau Josserand aber fischte ihr sie
sogleich ab und überhäufte sie mit Freundlichkeiten, da sie daran
dachte, sie könne ihre Dienste nötig gebrauchen. Leo wechselte
einige gleichgültige Worte mit seiner Mutter. Seit seinen
Beziehungen zu Frau Dambreville begann seine Mutter zu glauben, daß
doch noch einmal etwas aus ihm werden könne.
Berta sieht Sie nicht, sagte sie zu Frau Dambreville.
Entschuldigen Sie sie nur; sie ist eben im Begriff, Herrn August
Vabre ein Heilmittel anzugeben.
Alle beide betrachteten Berta mit mütterlicher Sorgfalt. Es war
Berta endlich gelungen, ihn in die Fensternische zu drängen, wo sie
ihn mit ihren anmutigen Bewegungen gefangen hielt. Er erwärmte sich
allmählich auf die Gefahr hin, wieder die Migräne zu bekommen.
Während dieser Zeit politisierte eine Gruppe ernster Männer im
kleinen Salon. Am Morgen hatte eine stürmische Sitzung im Senat
stattgefunden, wo man bei Gelegenheit der Adreßdebatte die
römischen Angelegenheiten besprach. Doktor Juillerat, ein
Gottesleugner und Revolutionär, verfocht die Meinung, man müsse Rom
dem König von Italien geben. Der Abbé Mauduit dagegen, einer der
Führer der ultramontanen Partei, sah die fürchterlichsten
Katastrophen voraus, wenn Frankreich nicht sein Blut bis zum
letzten Tropfen für die weltliche Macht der Päpste vergieße.
Vielleicht könnte man noch einen beiderseits annehmbaren Ausweg
finden, bemerkte Leo Josserand, der gerade hinzukam.
Er war zurzeit Sekretär eines berühmten
Advokaten und Abgeordneten der Linken. Da er von seinen Eltern,
deren mittelmäßige Lebensstellung ihn stets in Wut versetzte, keine
Hilfe erwarten konnte, hatte er zwei Jahre lang auf den
Bürgersteigen des Studentenviertels ein blutdürstiges Demagogentum
spazieren geführt. Seitdem er aber bei den Dambreville, wo er
seinen ersten Hunger stillte, Einlaß gefunden, beruhigte er sich
und kehrte mehr den Republikaner hervor.
Nein, es ist keine Einigung möglich, sagte der Priester. Die
Kirche kann nicht verhandeln.
Dann wird sie verschwinden! schrie der Doktor.
Trotzdem beide sehr gut miteinander standen, da sie sich oft am
Bette der Sterbenden des Rochusviertels getroffen, schien es, daß
der magere, nervöse Arzt und der fette, gemütliche Vikar
unversöhnlich seien. Der letztere trug auch, während er die
bestimmtesten Behauptungen aufstellte, sein höflichstes Lächeln zur
Schau als Mann von Welt, der Nachsicht übt gegenüber dem Jammer des
Lebens, aber auch als Katholik, der fest entschlossen ist, von
seiner Lehre nichts aufzugeben.
Die Kirche verschwinden! Hören Sie doch auf! sagte mit wütender
Gebärde Campardon, um dem Priester, von dem er Bestellungen
erwartete, den Hof zu machen.
Übrigens war dies die Ansicht aller Herren; sie könne nicht
untergehen, meinten sie. Theophil Vabre, der hustete, spie und vom
Fieber geschüttelt wurde, träumte von dem allgemeinen Glück durch
Errichtung einer menschenbeglückenden Republik; er war der einzige,
der die Behauptung aufstellte, die Kirche könne sich vielleicht
umgestalten.
Der Priester erwiderte mit sanfter Stimme:
Das Kaiserreich bringt sich selber um. Man wird es im nächsten
Jahre bei den Wahlen sehen.
Was das Kaiserreich betrifft, so erlauben
wir Euch, uns davon zu befreien, sagte schroff der Doktor. Das wäre
ein ausgezeichneter Dienst.
Da schüttelte wieder Duverdy das Haupt, der mit der Miene eines
tiefen Denkers zugehört hatte. Er war aus orleanistischer Familie,
doch verdankte er dem Kaiserreich alles und hielt es daher für
angemessen, es zu verteidigen.
Glauben Sie mir, erklärte er endlich in strengem Tone,
erschüttern Sie nicht die Grundlagen der Gesellschaft, oder alles
stürzt zusammen. Leider fallen die Folgen der Katastrophe auf unser
Haupt!
Sehr richtig! sagte Herr Josserand, der gar keine Meinung hatte,
aber sich der Befehle seiner Frau erinnerte.
Alle sprachen zugleich. Keiner liebte das Kaiserreich. Der Dr.
Juillerat verdammte die mexikanische Expedition, der Abbé Mauduit
die Anerkennung des Königreichs Italien. Trotzdem wurden Theophil
Vabre und Leo unruhig, als Duverdy ihnen mit einem neuen 1793
drohte. Wozu diese fortwährenden Revolutionen? Ist die Freiheit
nicht
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