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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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drücken,
während die Herren ihre Unterhaltung wieder aufnahmen und die Damen
mit größerer Lebhaftigkeit ihre Fächer in Bewegung setzten. Duverdy
wagte sich jetzt wieder in den kleinen Salon, wohin Trublot und
Octave ihm folgten. Mitten unter den vielen Weiberröcken neigte
sich der eine zum andern und sagte ihm ins Ohr:
    Schauen Sie nur nach rechts! Da fängt die »Anbandelei« schon
an!
    Frau Josserand hatte eben ihre Tochter Berta auf August Vabre
»losgelassen«. Er war unvorsichtig genug, die Damen zu begrüßen.
Gerade an diesem Abend war er frei von Kopfschmerzen. Er fühlte nur
an einer Stelle seine neuralgischen Schmerzen, im linken Auge; doch
fürchtete er den Schluß der Gesellschaft; denn es sollte gesungen
werden, und nichts war ihm fürchterlicher.
    Berta, sagte die Mutter, sage doch dem Herrn das Mittel, das du
für ihn aus einem Buche abgeschrieben hast … Es ist ein
Radikalmittel gegen Migräne.
    Die Geschichte war eingefädelt. Sie ließ beide allein beim
Fenster.
    Teufel! Sie sind schon bei der Apotheke angekommen! murmelte
Trublot.
    Herr Josserand war in dem Bestreben, seiner
Frau zu Willen zu sein, im kleinen Salon geblieben. Er stand sehr
verlegen vor Herrn Vabre. Dieser würdige Greis schlief, und
Josserand, um sich liebenswürdig zu zeigen, wagte es nicht, ihn
aufzuwecken. Als aber die Musik zu Ende war, öffnete Herr Vabre die
Augen. Klein und dick, ganz kahlköpfig, mit zwei Büscheln weißer
Haare um die Ohren, hatte ihn außerdem die Natur mit einem
aufgedunsenen roten Gesicht ausgestattet, sowie mit aufgeworfenen
Lippen und runden Glotzaugen. Der alte Notar, dessen vier oder fünf
Gedanken sich immer in einem und demselben Kreise drehten, ließ
zuvörderst eine Redensart vom Stapel über Versailles, wo er 40
Jahre lang tätig gewesen. Dann sprach er von seinen Söhnen,
bedauerte, daß weder der ältere noch der jüngere sich fähig gezeigt
habe, sein Notariat zu übernehmen. Deswegen habe er sich
entschieden, die Kanzlei zu verkaufen und nach Paris zu ziehen,
Endlich kam er bis zur Geschichte seines Hauses, dessen Bau für ihn
der Roman seines Lebens geblieben.
    Da habe ich 300 000 Franken vergraben. »Eine ausgezeichnete
Spekulation« sagte mein Baumeister. Heute habe ich die größte Mühe,
mein Geld wieder zu erlangen, um so mehr, als meine Kinder sich bei
mir eingenistet haben mit der Absicht, keine Miete zu bezahlen. Ich
würde auch nie die Miete bekommen, wenn ich mich nicht selber am
15. des Monats meldete. Glücklicherweise habe ich einen Trost: das
ist die Arbeit!
    Sie arbeiten immer noch viel? fragte Herr Josserand.
    Immer, immer, antwortete der Greis mit verzweifelter Energie.
»Die Arbeit ist mein Leben«.
    Damit erklärte er das große Werk, das er vollbringe. Seit zehn
Jahren sammelte er den amtlichen Katalog der Gemäldeausstellung,
indem er für den Namen des Malers jedes
ausgestellten Bildes Zettel anlegte. Er sprach davon mit großer
Ermüdung und Ängstlichkeit. Das Jahr war ihm kaum lang genug; die
Aufgabe war oft so schwer, daß sie ihn überwältigte. So zum
Beispiel: wenn eine Künstlerin sich verheiratete und dann unter dem
Namen ihres Gatten ein neues Bild ausstellte – wie sollte er sich
da noch »auskennen«?
    Niemals wird meine Arbeit vollständig sein, das tötet mich!
    Sie interessieren sich für die schönen Künste? fragte Herr
Josserand, um ihn zu schmeicheln.
    Nein, ich habe nicht nötig, mir die Gemälde anzusehen. Es
handelt sich nur um eine statistische Arbeit. Es ist besser, daß
ich mich jetzt zur Ruhe begebe. Dann habe ich morgen einen freieren
Kopf. Guten Abend, mein Herr!
    Er stützte sich auf einen Stock, den er auch im Zimmer immer bei
sich behielt. Mühsam sich fortbewegend, mit einer beginnenden
Lähmung in den Lenden, wankte er hinaus. Herr Josserand blieb ein
wenig aus der Fassung gebracht zurück; er hatte nicht gut
verstanden und fürchtete, daß er vielleicht nicht mit genug
Begeisterung von den Zetteln gesprochen habe.
    Doch ein Lärm, der aus dem großen Salon herübertönte, führte
Trublot und Octave wieder zur Türe zurück. Sie sahen eine ungefähr
50 Jahre alte Dame eintreten, sehr stark und noch schön in
Begleitung eines jungen Mannes, der in tadelloser Toilette war und
etwas ernst aussah.
    Was! Die kommen miteinander! murmelte Trublot. Gut, geniert euch
nicht!
    Es war Frau Dambreville und Leo Josserand. Sie sollte ihn
verheiraten und hatte ihn einstweilen zum eigenen Gebrauche
behalten. Sie waren noch mitten in ihrem

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