Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
ihr, gleichsam um mit seinem geistlichen Stande die
skandalöse Szene in der Fensternische zu decken. Er ward wieder
Weltmann, entschlossen, von seinen Beichtkindern nur die Wahrung
des Anstandes zu verlangen.
    Das ist eine saubere Geschichte, murmelte Octave, dessen Achtung
für das Haus abermals einen argen Stoß erlitt.
    Jetzt bemerkte er, daß Frau Hédouin ihre Schritte nach dem
Vorzimmer lenkte; er wollte ihr zuvorkommen und folgte Trublot, der
sich ebenfalls anschickte fortzugehen. Er hatte die Absicht, seine
Gebieterin nach Hause zu begleiten. Allein sie lehnte ab; es sei
erst Mitternacht, sagte sie, und sie wohne ganz in der Nähe. In
diesem Augenblick fiel eine Rose aus ihrem Brustbukett zur Erde;
ärgerlich über ihre Abweisung hob er die Blume auf und machte
Miene, sie zu behalten. Die junge Frau zog die schönen Augenbrauen zusammen; doch bald war sie wieder heiter
wie gewöhnlich und sagte lächelnd:
    Öffnen Sie mir, Herr Octave … Ich danke.
    Als sie hinabgegangen war, suchte der junge Mann verlegen
Trublot auf. Allein Trublot war verschwunden geradeso wie neulich
bei den Josserands. Er mußte wieder über den Gang entkommen sein,
der in die Küche führte.
    Octave stieg, die Rose mißgestimmt zwischen den Fingern drehend,
hinauf, um zu Bett zu gehen. Oben sah er Marie über das
Stiegengeländer gebeugt an der nämlichen Stelle, wo er sie
verlassen. Sie hatte auf seine Schritte gelauscht und war
herausgeeilt, um ihn noch einmal zu sehen, wenn er heraufkomme.
    Er trat bei ihr ein.
    Jules ist noch nicht zu Hause, sagte sie. Haben Sie sich gut
unterhalten? … Hat es viele schöne Toiletten gegeben?
    Sie wartete seine Antwort gar nicht ab, denn sie hatte die Rose
in seiner Hand bemerkt. Eine kindliche Heiterkeit bemächtigte sich
ihrer.
    Die Blume ist für mich, nicht wahr? Sie haben an mich gedacht?
Sie sind sehr artig, sehr artig! …
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen; sie war verwirrt; eine tiefe
Röte färbte ihre Wangen. Octave fühlte eine plötzliche Rührung und
küßte sie zärtlich … … … .
    Gegen ein Uhr nach Mitternacht kehrten auch die Josserands heim.
Adele hatte auf einem Sessel einen Leuchter und Zündhölzchen bereit
gelegt. Als die Familie, die auf der Treppe kein Wort gesprochen,
in dem Speisezimmer anlangte, das man in verzweifelter Stimmung
verlassen hatte, wurden alle plötzlich von einem Sturm toller
Freude erfaßt; sie faßten einander bei den Händen und führten einen
Indianertanz rings um den Tisch auf. Selbst der Vater ließ sich von dem Taumel fortreißen, die Mutter
machte einen Luftsprung, die Mädchen stießen kurze, unartikulierte
Luftsprung, die Mädchen stießen kurze, unartikulierte Schreie aus,
während die in der Mitte der Tafel stehende Kerze ihre tanzenden
Schatten auf die Mauer warf.
    Endlich! Geschehen! hauchte Frau Josserand, atemlos in einen
Sessel sinkend.
    Doch in einer Anwandlung mütterlicher Zärtlichkeit erhob sie
sich sogleich wieder, eilte auf Berta zu und drückte zwei
ausgiebige Küsse auf die Wangen ihrer Tochter.
    Ich bin mit dir zufrieden, meine Liebe, sehr zufrieden. Du
vergiltst mir alle meine Mühen. Es ist also endlich wahr, mein
armes Töchterchen? …
    Ihre Stimme stockte unter dem Überströmen der Gefühle. Die
mächtige Figur in dem feuerroten Kleide war gebeugt unter der Wucht
der tiefen Empfindung; in dieser Stunde des Triumphes knickte sie
zusammen nach den tausendfachen Strapazen ihres drei Winter
hindurch geführten schrecklichen Feldzuges. Sie beruhigte sieh
erst, als Berta ihr schwur, daß sie nicht krank sei; sie fand sie
etwas bleich, war sehr besorgt, wollte ihr durchaus eine Tasse
Lindenblütentee bereiten. Als Berta zu Bett gegangen war, kam ihre
Mutter noch barfuß zu ihrem Bett, um sie sorglich zuzudecken wie
ehemals in den fernen Tagen ihrer Kindheit.
    Inzwischen erwartete Herr Josserand sie im Bette. Sie blies die
Kerze aus und stieg über ihn hinweg, um sich an die Innenseite zu
legen. Er war in Gedanken versunken; er fühlte sein Gewissen
beunruhigt durch das Versprechen einer Mitgift von 50 000
Franken, die er nicht besaß. Er wagte es, seine Besorgnisse auch
laut auszusprechen. Wozu verspricht man denn auch, wenn man nicht
weiß, ob man das Versprechen einhalten kann? Das sei nicht
rechtschaffen gehandelt.
    Nicht rechtschaffen! schrie im Finstern Frau
Josserand wütend. Nicht rechtschaffen ist: seine Töchter alte
Jungfern werden lassen. Verstehst du? War das etwa dein Plan? Mein
Gott! Wir haben ja

Weitere Kostenlose Bücher