Der häusliche Herd
der totenbleich vor
Octave stand; seit diesem Augenblicke war sie zerstreut, sie hörte
nicht auf, leuchtende Blicke nach jener Seite zu werfen, wo die
Kapelle des heiligen Joseph lag.
Inzwischen las der junge Mann halblaut:
»Mein Schatz, wie glücklich war ich gestern! Auf Dienstag in der
Kapelle der heiligen Engel im Beichtstuhle.«
Nachdem der Priester vom Bräutigam ein »Ja« erhalten hatte, ein
»Ja« des ernsten Mannes, der nichts unterzeichnet, ohne gelesen zu
haben, wandte er sich an die Braut:
Sie versprechen und schwören, Herrn August Vabre die Treue in
allen Dingen zu bewahren, wie eine treue Gattin dies ihrem Gatten
nach göttlichem Gebote schuldet?
Als Berta aber den Brief in Octaves Händen sah, dachte sie nur
an die Ohrfeigen, die da kommen würden, sie hörte nicht, was der
Priester sprach und lauerte nur durch eine Ecke ihres Schleiers. Es
war das eine Verlegenheitspause. Endlich fühlte sie, daß man ihrer
Antwort harre.
Ja, ja, antwortete sie rasch, auf Geratewohl.
Der Abbé Mauduit folgte erstaunt der
Richtung ihres Blickes und begriff, daß eine ungewohnte Szene sich
im Hintergrunde abspiele. Dadurch ward er selbst zerstreut. Jetzt
ging die Geschichte um, und jeder kannte sie. Die Damen, bleich und
mit ernster Miene, ließen Octave nicht mehr aus den Augen. Die
Männer lächelten mit verstohlen aufgeräumten Mienen. Während Frau
Josserand Frau Duverdy durch ein leichtes Achselzucken beruhigte,
schien Valerie allein sich um die Trauung zu kümmern, nichts weiter
sehend, von Rührung völlig durchdrungen.
»Mein Schatz, wie glücklich war ich gestern … « las Octave
aufs neue, eine große Überraschung heuchelnd.
Nachdem er den Brief dem Gatten zurückgegeben hatte, sagte
er:
Ich begreife nicht, mein Herr. Diese Schrift ist nicht die
meine … Sehen Sie übrigens.
Indem er sein Notizbuch, in das er seine Ausgaben eintrug,
hervorzog, zeigte er es Theophile.
Wie? nicht Ihre Schrift? stammelte dieser. Sie machen sich über
mich lustig; das muß Ihre Schrift sein!
Der Priester machte das Zeichen eines Kreuzes über die linke
Hand Bertas. Die Augen anderswohin gerichtet, irrte er sich und
machte es über die rechte Hand.
In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.
Amen! antwortete der Chorknabe, sich auf die Fußzehen stellend,
um besser zu sehen.
Endlich wurde der Skandal vermieden. Duverdy hatte dem
betroffenen Theophile bewiesen, daß der Brief nicht von Herrn
Mouret herrühren könne. Das war beinahe eine Enttäuschung für die
Anwesenden. Es folgten Seufzer, lebhaft ausgetauschte Worte. Als
jeder sich wieder dem Altar zukehrte, waren Berta und August
vermählt, sie, als ob sie gar nicht darauf geachtet habe, er, indem
er kein Wort von der Rede des Priesters
verlor, ganz dem feierlichen Vorgange sieh widmend, nur durch seine
Migräne gestört, die ihm das linke Auge zupreßte.
Die lieben Kinder! sagte Herr Josserand ganz versunken mit
zitternder Stimme zu Herrn Vabre, der seit dem Beginne der
Feierlichkeit sich mit dem Zählen der angezündeten Wachskerzen
beschäftigte, sich beständig irrend und seine Zählung immer wieder
aufnehmend.
Die Orgel aber durchbrauste neuerdings das Schiff der Kirche,
der Abbé Mauduit erschien wieder im Meßgewande, und die Chorsänger
sangen die Messe. Es war eine musikalische Messe mit großem Pomp.
Onkel Bachelard, der die Runde um die Kapellen machte, las die
lateinischen Inschriften der Gräber, ohne sie zu verstehen; die auf
dem Grabe des Herzogs von Créquy interessierte ihn besonders.
Trublot und Gueulin hatten sich zu Octave begeben, um Einzelheiten
zu erfahren, und alle drei lachten hinter der Kanzel. Die Gesänge
schwollen plötzlich an wie Sturmesbrausen, die Ministranten
schwangen die Rauchfässer; dann hörte man das Klingeln der
Glöckchen, in der Stille vernahm man das Stammeln des Priesters vor
dem Altare.
Theophile duldete es nicht auf seinem Platze; er hielt Duverdy
zurück, den er mit seinen verrückten Bemerkungen überhäufte, da er
nicht begreifen konnte, wieso der Herr vom Stelldichein nicht der
Urheber dieses Briefes war. Die Anwesenden fuhren fort, jede seiner
Bewegungen zu beobachten. Die ganze Kirche mit ihrer Reihe von
Priestern, ihrem Latein, ihrer Musik, ihrem Weihrauch, besprach
lebhaft das Abenteuer. Als der Abbé Mauduit nach dem Pater
herabstieg, um über die Neuvermählten einen letzten Segen zu
sprechen, befragte er mit einem tiefen, durchdringenden Blick die
Gläubigen, die aufgeregten Gesichter
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