Der häusliche Herd
Seitenkapellen, wo die Vergoldungen funkelten.
Gemälde von der Heiterkeit eines Opernhauses belebten die Wölbung.
Kristalleuchter hingen an langen Schnüren herab. Über die weiten
Öffnungen der unterirdischen Heizung hinwegschreitend, empfingen
die Damen einen warmen Hauch unter ihre Röcke.
Sie sind sicher, daß Sie den Trauring haben? fragte Frau
Josserand August, der sich mit Berta auf die Sessel von rotem Samt
niederließ, die vor dem Altar aufgestellt waren.
Er ward bestürzt, glaubte, ihn vergessen zu haben, fühlte ihn aber dann in seiner Westentasche. Übrigens
hatte sie seine Antwort nicht abgewartet. Seit ihrem Eintritt in
die Kirche hatte sie sich erhoben und musterte mit ihren Blicken
die Erschienenen; Trublot und Gueulin, beide Ehrenjunggesellen; den
Onkel Bachelard und Campardon, Zeugen der Braut; den Doktor
Juillerat und Duverdy, Zeugen des Bräutigams; dann die ganze Menge
von Bekannten, auf die sie stolz war.
Aber plötzlich hatte sie Octave bemerkt, der mit Eifer für Frau
Hédouin einen Weg freimachte: sie zog ihn hinter einen Pfeiler, wo
sie lebhaft mit ihm sprach. Der junge Mann schien nicht zu
begreifen, sein Gesicht war ganz verblüfft. Trotzdem schenkte er
ihr mit der Miene liebenswürdigen Gehorsams Gehör.
Es ist abgemacht, sagte Frau Josserand Valerie ins Ohr, indem
sie sich wieder auf einen der für die Familie bestimmten Sessel
hinter jenen von Berta und August setzte.
Es waren da Herr Josserand, die Vabre, Duverdy. Die Orgel ließ
jetzt Skalen kurzer, heller Töne vernehmen. Man nahm Aufstellung,
das Chor füllte sich, die Herren blieben im Hintergrunde. Der Abbé
Mauduit behielt sich die Freude vor, die Verbindung eines seiner
lieben Beichtkinder einzusegnen. Als er im Chorhemde erschien,
wechselte er ein freundschaftliches Lächeln mit den Anwesenden,
unter denen er viele Gesichter erkannte. Doch die Chorsänger
stimmten jetzt das Veni Creator an, die Orgel begann wieder ihren
Triumphgesang. Das war der Augenblick, in dem Theophile Octave
links vom Chor vor der Kapelle des heiligen Joseph entdeckte.
Seine Schwester Clotilde wollte ihn zurückhalten.
Ich kann nicht, stotterte er, niemals werde ich es dulden!
Er nötigte Duverdy, ihm zu folgen, um die Familie zu vertreten. Das Veni Creator wurde fortgesetzt.
Einige Köpfe wandten sich um; die Eingeweihten brannten vor
Neugierde.
Theophile, der von Ohrfeigen gesprochen hatte, war von einer
solchen Aufregung ergriffen, als er Octave ansprach, daß er anfangs
kein Wort finden konnte, und gepeinigt von dem Gedanken, daß er
klein sei, stellte er sich auf die Fußspitzen, um größer zu
erscheinen.
Mein Herr, sagte er endlich, ich habe Sie gestern mit meiner
Frau gesehen …
Aber das Veni Creator war zu Ende, und er erschrak, als er den
Ton der eigenen Stimme hörte. Übrigens gab ihm Duverdy, sehr
unangenehm berührt von diesem Abenteuer, zu verstehen, wie schlecht
der Ort gewählt sei.
Vor dem Altar begann eben die Feierlichkeit. Nachdem der
Priester an die Ehegatten eine rührende Ansprache gerichtet, nahm
er den Ehering, um ihn zu weihen.
Benedic, Domine Deus noster, annulum nuptialem hunc, quem nos in
tuo nomine benedicimus …
Hierauf wagte Theophile mit leiser Stimme zu wiederholen:
Mein Herr, Sie waren gestern in dieser Kirche mit meiner
Frau.
Octave, noch ganz betäubt von den Mitteilungen der Frau
Josserand, hatte nicht gut verstanden und brachte mit heiterer
Miene folgende kleine Geschichte vor:
In der Tat, ich bin der Frau Vabre begegnet; wir gingen
mitsammen, um die Wiederherstellungsarbeiten an der Calvaria in
Augenschein zu nehmen, die mein Freund Campardon leitet.
Sie gestehen? stammelte der Gatte, von Wut ergriffen; Sie
gestehen? …
Duverdy glaubte ihm auf die Schultern klopfen zu sollen, um ihn zu besänftigen. Eine durchdringende
Kinderstimme antwortete vom Chor herab:
Amen!
Sie erkennen ohne Zweifel auch diesen Brief? fuhr Theophile
fort, Octave ein Papier reichend.
Nicht doch, nicht hier! sagte der Rat voll Ärger. Sie verlieren
die Vernunft, mein Lieber.
Octave öffnete den Brief. Die Aufregung der Anwesenden schien zu
steigen. Ein Flüstern ging durch den Raum, man stieß einander mit
den Ellbogen, man sah über die Gebetbücher hinweg; niemand schenkte
der Feier auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Die beiden
Verehelichten allein standen mit feierlicher Miene und bewegt vor
dem Priester. Nur Berta merkte instinktmäßig, daß etwas vorgehe;
sie wandte den Kopf und bemerkte Theophile,
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