Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Ja,
in den gewöhnlichsten Redensarten, die bei solchen Gelegenheiten
gewechselt werden, sprach man einzig und allein davon. Frau
Hédouin, die eben das Abenteuer erzählen hörte, betrachtete Valerie
mit der Verwunderung einer Frau, deren Ehrbarkeit durchaus makellos
war. Ohne Zweifel hatte auch der Abbé Mauduit vertrauliche
Mitteilung von dem Vorfall erhalten, denn seine Neugierde schien
befriedigt, und er zeigte mehr Salbung als gewöhnlich inmitten des
heimlichen Jammers seiner Herde. Abermals eine offene Wunde,
urplötzlich blutig aufgerissen, über die er den Mantel der Religion
werfen mußte!
    Er ließ es sich angelegen sein, Theophil einige Zeit zu
unterhalten, sprach mit ihm freundlich über die
Vergebung von Beleidigungen, von den
unerforschlichen Ratschlüssen Gottes, indem er vor allem das
öffentliche Gerede zum Schweigen bringen wollte, und machte eine
Bewegung voll Mitleid und Verzweiflung, als ob er dem Himmel selbst
die Schmach dieser Gesellschaft verbergen wolle.
    Wie gütig der Pfarrer ist! Er weiß kaum, was das heißt! murmelte
Theophile, den diese Predigt vollends verwirrte.
    Valerie, die anstandshalber Frau Juzeur neben sich behalten
hatte, hörte mit Rührung auf die versöhnenden Worte, die der Abbé
Mauduit auch an sie richten zu sollen glaubte. Als man endlich aus
der Kirche ging, blieb sie vor den beiden Brautvätern stehen, um
Berta am Arme ihres Bräutigams vorbeischreiten zu lassen.
    Sie sind wohl zufrieden, sagte sie zu Herrn Josserand, um ihm zu
beweisen, daß sie ganz unbefangen sei. Ich gratuliere Ihnen.
    Gewiß, versicherte Herr Vabre mit seiner schwerfälligen Stimme;
da sind wir einer wichtigen Verantwortlichkeit enthoben.
    Während Trublot und Gueulin sich fast in Stücke rissen, um alle
Damen in den Wagen unterzubringen, beharrte Frau Josserand, deren
Schal den Verkehr hemmte, hartnäckig, bis zu allerletzt auf dem
Fußweg zu bleiben, um aller Welt ihr Mutterglück zu zeigen. Auch
das Hochzeitsmahl, das abends im Louvre-Hotel stattfand, wurde
durch den unglückseligen Vorfall des Theophile gestört. Die Leute
waren wie besessen; den ganzen Nachmittag bildete dieses Ereignis
das Gespräch in den Wagen auf dem Wege nach dem Boulognegehölz; und
die Schlußfolgerung aller Damen lief darin aus, daß der Gatte mit
der Auffindung des Briefes bis zum nächsten Tage hätte warten
müssen.
    Übrigens waren nur die vertrautesten Freunde beider Familien bei Tische. Den heitersten Punkt des Mahles
bildete ein Trinkspruch des Onkel Bachelard, den die Josserand
nicht umhin konnten einzuladen, so zuwider er ihnen auch gewesen
sein mochte. Man war kaum beim Braten angelangt, als er schon
berauscht war. Er erhob sein Glas und verwickelte sich in der
Redewendung: »Ich freue mich des Glückes, das ich empfinde«, die er
wiederholte, ohne aus ihr herauszukommen. Man tat ihm den Gefallen,
darüber zu lachen. August und Berta, ganz erschöpft vor Müdigkeit,
blickten von Zeit zu Zeit einander an, gleichsam verwundert
darüber, daß sie sich einander gegenüber befanden, und wenn ihnen
die Ursache einfiel, senkten sie den beschämten Blick auf ihre
Teller.
    Nahezu zweihundert Einladungen zum Ball waren versandt worden.
Schon um halb zehn Uhr kamen Gäste an. Drei Kronleuchter
bestrahlten den großen, roten Salon, in dem man bloß längs der
Wände Sitze gelassen hatte; an einem Ende vor dem Kamin war ein
kleiner Raum für die Musik abgesondert; in einem anstoßenden Saal
war ein Büfett errichtet, und die beiden Familien hatten ein Gemach
in Beschlag genommen, wohin sie sich zurückziehen konnten.
    Eben als Frau Josserand und Frau Duverdy die ersten Gäste
empfingen, ließ sich der arme Theophile, den man seit dem Morgen
schon ängstlich beobachtet hatte, zu einer bedauerlichen
Rücksichtslosigkeit hinreißen. Campardon bat nämlich Valerie in
seiner Gegenwart zum ersten Walzer; sie lachte, was Theophile als
eine Herausforderung deutete.
    Du lachst, du lachst, stammelte er. Sage mir, von wem der Brief
ist? Jemand muß ihn doch geschrieben haben, diesen Brief?
    Er hatte sich den ganzen Nachmittag damit abgequält, die Sache ins reine zu bringen, nachdem die Antworten
Octaves ihn in neue Rätsel verwickelt hatten. Er blieb hartnäckig
dabei. War es nicht Herr Mouret, dann war es ein anderer, und er
verlangte einen Namen. Da Valerie sich entfernte, ohne ihm eine
Antwort zu geben, faßte er sie beim Arm, preßte ihn voll Bosheit
und wütend wie ein gereiztes Kind und rief wiederholt:
    Ich breche dir

Weitere Kostenlose Bücher