Der häusliche Herd
Josserand, ganz rot und strahlend, machte sich in einem
malvenfarbenen Kleide breit, in dem sie noch höher und dicker als
sonst wie ein majestätisch einher wandelnder Turm aussah. Sie
schalt auf Herrn Josserand, rief Hortense, ihr den Schal zu
reichen, und verbot Berta aufs heftigste sich zu setzen.
Nimm dich in acht, du wirst deine Blumen zerknittern.
Überhasten Sie sich nicht, sagte Clotilde mit dem ihr eigenen
ruhigen Tone. Wir haben Zeit … August wird uns schon abholen
kommen.
Während man noch im Salon wartete, kam Theophile plötzlich
hereingestürmt, ohne Hut, den Rock verkehrt angezogen, die weiße
Binde wie einen Strick um den Hals gewunden. Sein Gesicht mit dem
dünnen Barte und den schlechten Zähnen war erdfahl, seine
schwächlichen Glieder zitterten vor Wut.
Was fehlt dir denn? fragte ihn die Schwester ganz bestürzt.
Du fragst noch, was mir fehlt?
Ein Anfall von Husten schnitt ihm die Sprache ab, und er blieb
wohl eine Minute dem Ersticken nahe stehen, ins Taschentuch
speiend, rasend, daß er seinen Zorn nicht auslassen konnte. Valerie
sah ihn unruhig an, instinktmäßig erratend, was mit ihm vorging. Endlich ballte er
drohend die Faust gegen sie, bemerkte nicht einmal die Braut und
die Damen, die sie umgaben.
Ja, als ich meine Binde überall suchte, fand ich einen Brief vor
dem Schranke …
Er zerknitterte zwischen den fieberhaften Fingern ein Papier.
Seine Frau war völlig bleich geworden. Sie erfaßte die Lage und
ging in das Zimmer hinüber, das Berta soeben verlassen hatte, um
dem Skandal einer öffentlichen Auseinandersetzung auszuweichen.
Gut! sagte sie einfach, ich gehe lieber weg, wenn er verrückt
wird.
Laß mich! schrie Theophile der Frau Duverdy zu, die versuchte,
ihn zum Schweigen zu bringen. Ich will sie beschämen … Diesmal
habe ich einen Beweis, es ist kein Zweifel' mehr! Aber es wird
nicht so glatt ablaufen, denn ich kenne ihn …
Seine Schwester hatte ihn beim Arm gefaßt, hielt ihn fest,
schüttelte ihn und ließ ihn ihre Autorität energisch fühlen.
Schweig! siehst du nicht, wo du bist? … Das ist nicht die
geeignete Zeit, du siehst es doch!
Die Zeit ist ganz geeignet, versetzte er trotzdem. Ich kümmere
mich den Teufel um die anderen. Um so schlimmer, daß es gerade auf
heute fällt. Das wird jedermann als Lehre dienen.
Er dämpfte indessen die Stimme, sank ganz entkräftet in einen
Stuhl und hielt gewaltsam an sich, um nicht in Tränen
auszubrechen.
Eine arge Verlegenheit entstand im Salon. Frau Dambreville und
Frau Juzeur stellten sich, als begriffen sie nichts von der Sache,
und hielten sich abseits. Frau Josserand, sehr unangenehm berührt
von einem Abenteuer, dessen skandalöse
Natur Verstimmung in die Hochzeit bringen konnte, war ins Zimmer
hinübergegangen, um Valerie Mut zuzusprechen. Berta musterte ihren
Kranz vor dem Spiegel und hatte nichts gehört. Sie fragte daher mit
halblauter Stimme Hortense aus. Das gab ein Lispeln, da letztere
mit einem Blicke auf Theophile zeigte und daran Erklärungen
knüpfte, während sie tat, als lege sie die Falten des Schleiers
zurecht.
Ah! sagte einfach die Braut, mit unschuldiger, gleichgültiger
Miene, die Blicke auf den Mann geheftet, ohne in ihrem
Strahlenkränze weißer Blumen irgendeine unruhige Regung zu
empfinden.
Clotilde befragte ganz leise ihren Bruder. Frau Josserand kam
wieder herein, wechselte mit ihr einige Worte und ging dann wieder
ins anstoßende Gemach: es war ein diplomatischer Notenwechsel.
Der Gatte beschuldigte Octave, diesen Ellenritter, den er
öffentlich in der Kirche ohrfeigen wolle, wenn er sich dort zu
zeigen wage. Er erinnerte sich jetzt bestimmt, ihn gestern mit
seiner Frau auf der Treppe der Rochus-Kirche gesehen zu haben.
Anfangs habe er daran gezweifelt, jetzt sei er seiner Sache sicher;
alles stimme; Wuchs, Gang, Haltung. Ja, gnädige Frau pflege oft
Frühstückseinladungen bei Freundinnen vorzuschützen, oder sie gehe
mit Camille in die Rochus-Kirche durch die gewöhnliche
Eingangspforte, wie um ihre Andacht zu verrichten, übergebe das
Kind der Obhut der Sitzvermieterin, dann gehe sie mit ihrem Herrn
durch den alten Ausgang fort nach irgendeinem schmutzigen Orte, wo
sie wisse, daß ihnen niemand nachgehe.
Bei dem Namen Octave lächelte Valerie indes; nie, schwur sie der
Frau Josserand, nie mit diesem Manne; übrigens auch sonst mit
niemandem, fügte sie hinzu, aber mit ihm
noch weniger als sonst mit jemandem. Da sie sich durch die Wahrheit
diesmal stark fühlte, sprach
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