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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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habe - sie sind freilich nicht so schön, aber sie erbarmen mir doch, wenn sie nun niemand pflegt.«
    »Ich will sorgen, Victor, ich will ihnen den Schlag am Morgen öffnen und am Abende schließen; ich will Sand streuen und ihnen Futter geben.«
    »Dann muß ich dir noch für die viele Leinwand danken, die ich mit bekomme.«
    »Um Gottes willen, ich habe sie dir ja nicht gegeben, sondern die Mutter - auch haben wir ja noch genug in unsern Schreinen, daß wir ihren Abgang nicht empfinden.«
    »Das kleine silberne Kästchen von meiner verstorbenen Mutter, weißt du, das wie ein Trühelchen aussieht, mit der durchbrochenen Arbeit und dem kleinen Schlüsselchen, das dir immer so gefallen hat - das habe ich gar nicht eingepakt, weil ich es dir zum Geschenke da lasse.«
    »Nein, das ist zu schön, das nehme ich nicht.«
    »Ich bitte dich, nimm es, Hanna, du thust mir einen sehr großen Gefallen, wenn du es nimmst.«
    »Wenn ich dir einen großen Gefallen thue, so will ich es nehmen, und es dir aufheben, bis du kommst, und es dir sorgfältig bewahren.«
    »Und die Nelken pflege, die armen Dinge an der Planke - hörst du - und vergiß den Spiz nicht; er ist zwar schon alt, aber ein treues Thier.«
    »Nein, Victor, ich vergesse ihn nicht.«
    »Aber ach, das ist es ja alles nicht, was ich eigentlich zu sagen habe - - ich muß etwas anderes sagen.«
    »Nun so rede, Victor!«
    »Die Mutter hat gesagt, ich möchte heute noch ein freundliches Wort zu dir sagen, weil wir öfter mit einander gezankt haben - ich möchte noch gut reden, ehe ich auf immer fort gehe - - und da bin ich gekommen, Hanna, um dich zu bitten, daß du nicht auf mich böse seiest.«
    »Wie redest du nur, ich bin ja in meinem ganzen Leben nicht böse auf dich gewesen.«
    »O ich weiß es jezt recht gut, du bist immer die Gequälte und Geduldige gewesen.«
    »Victor, ängstige mich nicht, das ist dir nur heute so.«
    »Nein, du warst immer gut, ich dachte es nur nicht so. Höre mich an, Hanna, dir will ich mein ganzes Herz ausschütten: ich bin ein unbeschreiblich unglüklicher Mensch.«
    »Heiliger Gott! Victor, mein lieber Victor! was ist dir denn so schwer?«
    »Siehst du, den ganzen Tag hängen mir die niederziehenden Thränen in dem Haupte, ich muß sie zurük halten, daß sie mir nicht aus den Augen fallen. Als ich nach dem Mittagsessen an dem traurigen Wasser und an dem Buchengewände hinauf ging, war es nicht eigentlich lange Weile, sondern, daß mich nur keine Augen anschauen möchten - - und da dachte ich mir: ich habe doch gar niemand auf der ganzen großen weiten Erde, keinen Vater, keine Mutter, keine Schwester. Mein Oheim bedroht mir meine wenigen Habseligkeiten, weil ihm mein Vater schuldig war, und die Einzigen, die mir Gutes thun, muß ich verlassen.«
    »O Victor, lieber Victor, kränke dich nicht zu sehr. Dein Vater und deine Mutter sind freilich gestorben; aber das ist schon lange her, daß du sie kaum gekannt hast. Dafür hast du eine andere Mutter gefunden, die dich so liebt, wie eine wahre - und du hast ja zeither keine Klage wegen der Verstorbenen gethan. Daß wir jezt scheiden müssen, ist sehr, sehr traurig; aber versündige dich nicht an Gott, Victor, der uns die Prüfung auferlegt hat. Trage sie ohne Murren - ich trug sie auch schon den ganzen Tag her, und murrte nicht; ich hätte sie auch getragen, wenn du gar nicht mehr zu mir gekommen wärest, um mit mir zu reden.«
    »O Hanna, Hanna!«
    »Und wenn du auch fort bist, werden wir sorgen, was wir dir schiken sollen, wir werden für dich bethen und ich werde alle Tage in den Garten gehen, und auf die Berge schauen, über die du fort gegangen bist.«
    »Nein, thue es nicht; sonst wäre es gar zu kläglich.«
    »Warum denn?«
    »Weil doch alles nicht hilft - und weil es nicht das allein ist, daß ich scheiden muß und daß wir uns trennen müssen.«
    »Was ist denn?«
    »Daß alles vorüber ist, und daß ich der einsamste Mensch auf Erden bin.«
    »Aber Victor, Victor.«
    »Ich werde nie heirathen - es kann nicht sein - - es wird nicht möglich werden. Du siehst also, ich werde keine Heimath haben, ich gehöre niemanden an; die Andern werden mich vergessen - und es ist gut. - Begreifst du es? - - Ich habe es nie gewußt, aber jezt ist es ganz klar - ganz klar. Siehst du es nicht? - - Warum schweigst du denn plözlich, Hanna?«
    »Victor!«
    »Was, Hanna?«
    »Dachtest du schon?«
    »Ich dachte.«
    »Nun?«
    »Nun - nun - es ist ja alles vergeblich, alles umsonst.«
    »Bleibe ihr treu,

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