Der Hagestolz
Grisel sein, dachte Victor, die schon von hier aus gesehen wie Paläste empor steigen, während das Felsenufer der Insel, da wir herfuhren, nur wie ein weißer Sandstreifen erschienen war.
Als er hier wieder eine Weile gestanden war, ging er längs des Saumes dahin, bis er an die Einfangungsmauer an der Seite des Klosters käme. Er kam dahin, und die Mauer stieg mit glattem Rande fallrecht in das Wasser nieder. Dann wendete er um, und wandelte wieder an dem Saume fort, bis er neuerdings an die Mauer an der dem Kloster entgegenliegenden Seite käme. Aber ehe er dahin gelangte, traf er etwas anderes. Es stand eine gemauerte Höhlung da, wie die Thür eines Kellers, die hinter sich abwärts gehende Stufen zeigte. Victor meinte, dies könnte eine Treppe sein, die zum See hinab führe, um etwa Wasser herauf zu holen. Sogleich schlug er den Weg hinab ein, der in der That wie eine überwölbte Kellerstiege war, und auf unzähligen Stufen nieder führte. Er gelangte wirklich an das Wasser, aber wie erstaunte er, als er statt eines armen Schöpfungsplazes, wie etwa zum Begießen der Pflanzen nöthig wäre, einen wahrhaften Wassersaal erblikte. Da er aus dem Dunkel der Treppe heraus kam, sah er zwei Seitenwände aus großen Quadern in den See hinaus laufen, steinerne Simse an ihren Seiten führend, daß man auf ihnen neben dem Wasserspiegel, der den Fußboden der Halle bildete, hin gehen konnte. Oben war ein festes Dach, die Mauern hatten keine Fenster, und alles Licht kam durch die gegen den See gerichtete Wand herein, die ein Gitter aus sehr starken Eichenbohlen war. Die vierte, nehmlich die Rükwand, bildete der Fels der Insel. Viele Pflöke waren in den Grund getrieben und an manchen derselben hing mittelst eines Eisenschlosses ein Kahn. Der Raum war sehr groß und mußte einst viele solche Kähne in sich liegen gehabt haben, wie das vielfach abgeschleifte Ansehen der Eisenringe der Pflöke zeigte; aber jezt waren nur mehr vier da, die ziemlich neu waren, sehr gut gebaut, und mit Ketten und versperrten Schlössern in den Ringen hingen. Das Bohlenwerk hatte mehrere Thüren zum Hinausfahren in den See, aber sie waren alle verschlossen, und die Balken gingen unersichtlich tief in das Wasser hinab.
Victor blieb stehen und sah in die grünblinkenden Lichter des Seees, die zwischen den schwarzen Balken des Eichenholzes herein schienen. Er sezte sich dann nach einer Weile auf den Rand eines Kahnes, um mit der Hand die Wärme des Seewassers zu prüfen. Es war nicht so kalt, als er es wegen seiner durchsichtigen Klarheit geschäzt hatte. Seit seiner Kindheit war das Schwimmen eines seiner liebsten Vergnügen gewesen. Als er daher gehört hatte, das Haus seines Oheims liege auf einer Insel, nahm er sein Schwimmkleid in dem Ränzlein mit, um dieser Uebung recht oft nach zu gehen. Dies fiel ihm hier in dem Wassersaale augenblicklich ein, und er begann die Stellen wegen künftigen Schwimmübungen mit den Augen zu prüfen, aber er erkannte gleich die Unmöglichkeit; denn, wo die Kähne hingen, war es zu seicht, und wo es tiefer wurde, gingen gleich die Bohlen in das Wasser nieder. Zum Durchkommen durch die Bohlen war ebenfalls keine Aussicht vorhanden; denn sie waren so enge an einander, daß sich nicht der schlankste Körper hätte hinaus zwängen können. Es blieb daher nichts übrig, als sich dieses Wasserhaus für die Zukunft zum bloßen Badeplaze zu bestimmen.
Zum Theile erfüllte er diese Absicht gleich auf der Stelle. Er legte so viel von seinen Kleidungsstüken ab, als nötig war, einige Körpertheile, namentlich Schultern, Brust, Arme und Füsse zu waschen. Den Spiz badete er ebenfalls. Hierauf legte er seine Kleider wieder an, und stieg die Stufen zurük empor, die er herabgegangen war. Als er sodann an dem Ufer fort ging, traf er an das andere Ende der Einschlußmauer. Es ging wie das erste fallrecht in den See nieder, und war so aus dem Felsen heraus gebaut, daß kaum ein Kaninchen um den Mauerrand hätte herum schlüpfen können. Victor blieb eine Weile lässig an dieser Stelle stehen - dann war, so zu sagen, sein Tagwerk aus. Er ging auf den Sandplaz zurück, und sezte sich dort auf eine Bank, um von dem Bade auszuruhen und den Spiz zu troknen. Das Haus des Oheims, welches er nun gegenüber hatte, war, wie es am Morgen gewesen war. Nur die Fenster des Zimmers, in welchem er geschlafen hatte, standen offen, weil er sie selbst geöffnet hatte, alles andere war zu. Niemand ging heraus, niemand ging hinein. Die Schatten
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