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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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konnte, gleichsam als scheute man die Freiheit und Klarheit des Lichtes und liebte die Finsterniß in diesen Gängen. Da Victor so suchte, trat aus einem der Kästen die alte Frau heraus, die gestern zum Abendessen die Speisen gebracht hatte. Sie trug Tassen und Schalen, und ging wieder in einen solchen Kasten hinein. Da Victor an dem, wo sie heraus gekommen war, näher schaute, entdekte er, daß derselbe ein verlarvtes Thürfutter sei, und zur Hinterwand die Thür habe, durch die er gestern zu dem Oheime hinein gegangen war, wie er an dem Ringe und Klöppel erkannte, die er gestern beim Lichte bemerkt hatte. Er klopfte leicht mit dem Klöppel, und auf einen Laut drinnen, der wie »herein« klang, öffnete er und ging hinein. Er gelangte wirklich in das gestrige Speisezimmer und traf den Oheim.
    Die vielen gleichen Kästen, die sich etwa in dem Gebäude vorgefunden hatten, schienen nur darum in den Gang gestellt worden zu sein, daß jemand, der in unredlicher Absicht durch eine Thür hinein gehen wollte, diese Absicht nicht leicht erreiche, weil er die kostbarste Zeit durch Untersuchung der wahren und falschen Thürkästen vergeuden mußte. Zu demselben Zweke größerer Sicherheit schienen auch die Gänge verfinstert worden zu sein.
    Der Oheim hatte heute den grauen weiten Rok an, in dem ihn Victor gestern an dem Eisengitter hatte stehen gesehen. Er stand jezt im Zimmer auf einem Schemel, und hatte einen ausgestopften Vogel in der Hand, von dem er mit einem Pinsel den Staub abbürstete.
    »Ich werde dir heute die Stundeneintheilung meines Hauses geben, die durch Christoph aufgeschrieben ist, daß du dich darnach richten kannst; denn ich habe mein Frühstük schon nehmen müssen, weil die Zeit da war,« sagte er zu dem hereingekommenen Victor ohne weiteren Morgengruß oder sonstiger Bewillkommung.
    »Ich wünsche euch einen sehr guten Morgen, Oheim,« sagte Victor, »und bitte um Verzeihung, daß ich die Frühmalstunde versäumt habe, ich wußte sie nicht.«
    »Freilich konntest du sie nicht wissen, Narr, und es verlangte niemand, daß du sie einhaltest. Gieße dem Hunde in jenen hölzernen Trog ein Wasser.«
    Mit diesen Worten stieg er von dem Schemel herunter, ging zu einer Leiter, bestieg sie, und sezte den Vogel in das obere Fach eines Glasschreines. Für den hineingestellten nahm er einen andern heraus, und fing dasselbe Bürsten mit ihm an.
    Victor konnte jezt bei Tage erst sehen, wie ungemein hager und verfallen der Mann sei. Die Züge drükten kein Wohlwollen und keinen Antheil aus, sondern waren in sich geschlossen, wie von einem, der sich wahrt, und der sich selber unzählige Jahre geliebt hat. Der Rok schlotterte an den Armen, und von dem Kragen desselben ging der röthliche, runzlige Hals empor. Die Schläfe waren eingesunken und das zwar noch nicht völlig ergraute aber aus vielen mißhelligen Farben gemischte Haar war struppig um dieselben herum, niemals, seit es wuchs, von einer liebenden Hand gestreichelt. Die Augen, die unter den herabgesunkenen Brauen hervor gingen, hafteten auf dem kleinen Umkreise des todten Vogels. Der Rokkragen war an seinem oberen Rande sehr schmuzig, und an dem Aermel sah ein gebauschtes Stük Hemd hervor, das ebenfalls schmuziger war, als es Victor je bei seiner Ziehmutter gesehen hatte. Und überall waren leblose oder verdorbene Dinge um den Mann herum. Es befanden sich in dem Zimmer eine Menge Gestelle, Fächer, Nägel, Hirschgeweihe und dergleichen, an welchen allen etwas hing und auf welchen allen etwas stand. Es wurde aber mit solcher Beharrung gehütet, daß überall der Staub darauf lag, und daß sich vieles schon Jahre lang nicht von dem Plaze gerührt hatte. In den Halsbändern der Hunde, wovon ein ganzer Bündel da hing, war innerlich der Staub; die Falten der Tabaksbeutel waren erstarrt und undenklich lange schon nicht geändert worden; die Röhre der Pfeifensammlung klaften, und die Papiere unter den unzähligen Schwersteinen waren gelb. Das Zimmer, welches statt der Deke ein bedeutend spizes Gewölbe hatte, war ursprünglich bemalt gewesen, aber die Farbe in ihren Lichtern und Schatten war in ein gleichmäßiges uraltes Dunkel übergegangen. Auf dem Fußboden lag ein ausgebleichter Teppich, und nur dort, wo der Mann während des Speisens zu sizen pflegte, war ein neuerer kleinerer mit blühenden Farben gelegt. Jezt wälzten sich eben die drei Hunde auf ihm. - Es war ein sehr starker Gegensaz, wie Victor in dem Zimmer dieses alten Mannes stand. Sein schönes

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