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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wendeten sich nach und nach, und die Sonne, die Morgens hinter dem Hause gestanden war, beleuchtete nun die vordere Seite desselben. Victor war es, wie er so da saß und auf die dunkeln Mauern schaute, als sei er schon ein Jahr von seiner Heimath entfernt. Endlich wies der Zeiger seiner Uhr auf zwei. Er hob sich daher, ging die Holztreppe empor, der Oheim öffnete ihm auf sein Klopfen mit dem Klöppel die Stiegenthür, ließ ihn hinter sich in das Speisezimmer gehen, und sofort sezten sich beide zu Tische.
    Das Mittagmal unterschied sich von dem gestrigen Abendmale nur darin, daß beide, Oheim und Neffe, zusammen aßen. Sonst war es wie gestern. Der Oheim sprach wenig, oder eigentlich so viel, wie nichts; die Speisen aber waren mannigfaltig und gut. Es standen wieder mehrere Weine auf dem Tische, und der Oheim trug Victor sogar davon an, wenn er nehmlich schon Wein trinke; dieser aber schlug das Anerbieten aus, indem er sagte, daß er bisher immer Wasser getrunken habe, und dabei bleiben wolle. Der Oheim sprach auch heute nichts von dem Reisezweke, sondern da das Essen aus war, stand er auf und beschäftigte sich mit allerlei Dingen, die in dem Gemache waren, und kramte in denselben herum. Victor begriff sogleich, daß er entlassen sei, und begab sich seiner Neigung zu Folge ins Freie.
    Nachmittags, da die Hize in diesem Thalbeken, so wie Morgens die Kühle, sehr groß war, sah Victor, da er über den Blumenplaz ging, den Oheim auf einer Bank mitten in den Sonnenstrahlen sizen. Derselbe rief ihn aber nicht hinzu und Victor ging auch nicht hinzu.
    So war der erste Tag aus. Das Abendessen, wozu Victor um neun Uhr beschieden war, endete für ihn, wie gestern. Der Oheim führte ihn in seine Zimmer und sperrte das Eisengitter des Ganges ab.
    Den alten Christoph hatte Victor den ganzen Tag nicht gesehen, nur die alte Frau allein wartete bei Tische auf - wenn man nehmlich das »aufwarten« nennen kann, daß sie die Speisen brachte und forttrug. Alles andere hatte der Oheim selber gethan; auch die Käse und Weine hatte er wieder eingesperrt.
    Als man des andern Morgens vom Frühstüke aufgestanden war, sagte er zu Victor: »Komme ein wenig herein da.«
    Mit diesen Worten schloß er eine kaum erkennbare Tapetenthür des Speisezimmers auf, und schritt in ein anstoßendes Gemach, wohin ihm Victor folgte. Das Gemach war wüste eingerichtet, und enthielt mehr als hundert Feuergewehre, die nach Gattungen und Zeiten in Glasschreinen waren. Hüfthörner, Weidtaschen, Pulvergefäße, Jagdstöke und noch tausenderlei dieser Dinge lagen herum. Sie gingen durch dieses Zimmer hindurch, dann durch das anstoßende, das wieder leer war, bis sie in ein drittes kamen, in dem einige alte Geräthe standen. An der Wand hing ein einziges Bild. Es war rund, wie die Schilde, worauf man die Wappen zu malen pflegt, und war von einem breiten ausgeflammten und durchbrochenen Goldrahmen hohen Alters umschlossen.
    »Das ist das Bild deines Vaters, dem du sehr gleich siehst,« sagte der Oheim.
    Ein blühend schöner Jüngling, fast eher noch ein Knabe zu nennen, war in einem bauschigen braunen mit Goldtressen besezten Kleide auf dem runden Schilde abgebildet. Die Malerei, obwohl kein Meisterstük ersten Ranges, war doch mit jener Genauigkeit und Tiefe der Behandlung begabt, wie wir sie noch recht oft auf den Familienbildern des vorigen Jahrhunderts sehen. Jezt nimmt Oberflächlichkeit und Rohheit der Farbe überhand. Besonders rein waren die Goldborden ausgeführt, die noch jezt mit düsterem Lichte funkelten, und von den schneeweiß eingestäubten Loken und dem lieblichen Angesichtchen, dessen Schatten ganz besonders rein und durchsichtig waren, sich gut abhoben.
    »Es ist in der adeligen Schule die närrische Sitte gewesen,« sagte der Oheim, »daß alle Zöglinge zum Andenken abgebildet, und in solchen runden Schildern mannigfaltig bald in Gängen, bald in Vorsälen, und gar in Zimmern aufgehängt wurden. Die Rahmen kauften sie sich selber dazu. Dein Vater ist immer eitel gewesen und ließ sich malen. Ich war viel schöner, als er, und saß nicht. Als die Schule einging, kaufte ich das Bild hieher.«
    Victor, der sich seines Vaters so wie seiner Mutter gar nicht mehr erinnern konnte, da sie ihm beide, zuerst die Mutter und sehr bald darauf der Vater in frühester Kindheit weggestorben waren, stand nun vor dem Bilde dessen, dem er das Leben verdankte. In das weiche Herz des Jünglings kam nach und nach das Gefühl, das Waisen oft haben mögen, wenn sie,

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