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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Nachmittags aus der Stadt herüber kommen.«
    »Das war eine thörichte Meinung, Hanna. Werde ich denn bis in den Tag schlafen, oder bin ich denn ein Schwächling, der einen Spaziergang vom Tage vorher durch Ruhe verwinden muß, oder ist es etwa weit herüber, oder soll ich die Mittagshize wählen?«
    »Warum hast du denn gestern gar nicht auf unsere Fenster herüber geschaut, Victor, da ihr vorbei ginget?«
    »Weil wir Ferdinand's Geburtstag feierten, und nach Einverständniß der Eltern den ganzen Tag für uns besaßen. Deßwegen hatten wir keinen Vater, keine Mutter, noch sonst jemanden, der uns etwas befehlen durfte. Darum war auch unser Dorf blos der Ort, wo wir zu Mittag essen wollten, weil es so schön ist, weiter nichts. Verstehst du es?«
    »Nein; denn ich hätte doch herüber geschaut.«
    »Weil du alles vermengst, weil du neugierig bist und dich nicht beherrschen kannst. Wo ist denn die Mutter? ich habe ihr etwas Nothwendiges zu sagen: erst war ich nur nicht gleich gefaßt, da sie mit mir redete, jezt weiß ich aber schon, was ich antworten soll.«
    »Sie ist auf der Bleiche.«
    »Da muß ich also hinüber gehen.«
    »So gehe, Victor,« sagte das Mädchen, indem es sich um die Eke des Glashauses hinum wendete.
    Victor ging sofort, ohne sonderlich auf sie zu achten, gegen die ihm wohlbekannte Bleiche.
    Es ist hinter dem Garten ein Plaz mit kurzem samtenen Grase, auf welchem weithin in langen Streifen die Leinwand aufgespannt lag. Dort stand die Mutter und betrachtete den wirthlichen Schnee zu ihren Füssen. Zuweilen prüfte sie die Stellen, ob sie schon troken seien, zuweilen befestigte sie eine Schlupfe an dem Haken, mit dem das Linnen an den Boden gespannt war, zuweilen hielt sie die flache Hand wie ein Dächlein über die Augen und schaute in der Gegend herum.
    Victor trat zu ihr.
    »Bist du schon fertig,« sagte sie, »oder hast du dir etwas auf Nachmittag gelassen? Nicht wahr, es ist viel, wie wenig es auch aussieht. Du bist heute weit gegangen, thue den Rest nach dem Essen, oder morgen. Ich hätte gestern alles selber paken können, und wollte es auch thun; aber da dachte ich: er muß selber daran gehen, daß er es lernt.«
    »Nein, Mutter,« antwortete er, »ich habe nichts übrig gelassen, ich bin schon ganz fertig.«
    »So?« sagte die Mutter, »laß sehen.«
    Bei diesen Worten griff sie gegen seine Stirne. Er neigte sich ein wenig gegen sie, sie streifte ihm eine Loke, die sich bei der Arbeit nieder gesenkt hatte, weg, und sagte: »du hast dich recht erhizt.«
    »Es ist schon der Tag so warm,« antwortete er.
    »Nein, nein, es ist auch vom Arbeiten. Und wenn du alles gethan hast, so mußt du heute und morgen schon in deinen Reisekleidern bleiben, und was wirst du denn da immer thun?«
    »Ich gehe an dem Bache hinauf, an dem Buchengewände und so herum. Die Kleider behalte ich an. - - Aber ich bin wegen etwas anderem heraus gekommen, Mutter, und möchte gerne etwas sagen, aber es wird euch erzürnen.«
    »So erschreke mich nicht, Kind, und rede. Willst du noch etwas? Geht noch irgend ein Ding ab?«
    »Nein, es geht keines ab, eher ist um eines zu viel. Ihr habt heute eine Rede gethan, Mutter, die mir gleich damals nicht zu Sinne wollte, und die ich nun doch nicht wieder aus demselben bringe.«
    »Welche Rede meinst du denn, Victor?«
    »Ihr habt gesagt, daß euch zu meinem Unterhalte ein Geld angewiesen worden sei, das Ihr alle Jahre empfangen solltet. - Ihr habt gesagt, daß Ihr das Geld empfangen habt - und ferner habt Ihr gesagt, daß Ihr das Geld für mich auf Zinsen angelegt, und allemal auch die Zinsen dazu gethan habt.«
    »Ja, das habe ich gesagt, und das habe ich gethan.«
    »Nun seht, Mutter, da sagt mir mein Gewissen, daß es nicht recht sei, wenn ich das Geld von Euch annehme, weil es mir nicht gebührt - und da bin ich gekommen, um es Euch vorher lieber im Guten zu sagen, als daß ich nachher das Geld ausschlüge und Euch erzürnte. - Seid Ihr böse?«
    »Nein, ich bin nicht böse,« sagte sie, indem sie ihn mit freudestrahlenden Augen ansah - - »aber sei kein thörichtes Kind, Victor! Du siehst wohl ein, daß ich dich nicht des Gewinnes wegen in mein Haus aufgenommen habe - um des Gewinnes willen hätte ich nie ein Kind genommen - daher ist ja das, was von dem Gelde jährlich übrig geblieben ist, von rechtswegen dein. Höre mich an, ich werde es dir erklären. Die Kleider hat der Vormund herbei geschafft, für Speisen hast du keine Auslagen verursacht - du aßest ja kaum, wie ein

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