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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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wenn dein Auto im Schatten steht, wird dein Gemüse nicht in zwei Stunden verderben. Oder hast du etwas Tiefgefrorenes dabei?«
    Beate schüttelte den Kopf. Sie zögerte. Wieder sah sie auf die Uhr.
    »Na gut, zwei Stunden, aber nicht mehr. Dem Gemüse schadet es wirklich nicht, und dem Sauerbraten wahrscheinlich auch nicht. Wo ist denn dein Auto?«
    Ich sagte, es stände in der Nähe, aber wir könnten ja gleich mit ihrem losfahren, wo wir nun schon drinsaßen.
    »Klar, und wohin?« Beate startete.
    »Na, in den Wald«, schlug ich vor, »es ist so zauberhaftes Wetter, wer weiß, wie lange es noch anhält. Altweibersommer, das passende Wetter für uns beide.«
    »Ich wüßte was Hübsches, ja, dahin fahren wir«, sagte Beate. Nun wollte ich nicht mehr widersprechen, aber wenn es ein vielbesuchter Ort war, würde es heute wieder nichts mit meinen Plänen.
    Das Hallenbad lag am Ortsende, und wir brauchten nicht mehr durch die Stadt zu fahren, die gerade von einkaufenden
    Menschen verseucht war. Das war ein Teil meines Planes.
    Beate nickte zwar einmal einer Frau zu, aber es schien nur eine flüchtige Bekanntschaft zu sein. Sie fuhr die Berge hoch bis zu einem Waldparkplatz.
    »Ist dein Korb schwer?« fragte sie, »ich könnte nämlich, wenn es auch verboten ist, den Weg für die Holzabfuhr noch ein Stück weiter fahren, dann müssen wir nicht so schleppen.«
    Das war ideal.
    »Na ja«, gab ich zu, »ich habe eine Thermoskanne mit Kaffee und eine Flasche Sekt (die ich für Witold gekauft hatte), das wiegt schon etwas.«
    Beate lachte. »Der Sekt wird auf diesem Holperweg ja schön durchgerüttelt, und warm ist er sicher auch; aber es war lieb gemeint von dir, Rosenresli!«
    Sie fuhr langsam den Buckel hoch, bog zum Parken in einen Trampel weg ein und versteckte den Wagen hinter einer buschigen Kiefer auf einem Stück Waldwiese.
    »Auf geht’s!« rief sie. »Zwanzig Minuten sind schon rum. Übrigens kannst du Gedanken erraten: Ich habe Hunger und Durst vom Schwimmen. Ehrlich gesagt, habe ich heute nicht gefrühstückt, denn ich muß dringend ein paar Pfund abwerfen. Aber mit einem leckeren Picknick führst du mich total in Versuchung.«
    Beate deutete auf einen hohen Aussichtsturm.
    »Da müssen wir rauf. Ich war vor kurzem mal mit Jürgen dort, man hat einen zauberhaften Blick auf die Rheinebene.«
    Ob das gut war? Ich hatte den Revolver in meiner größten Handtasche, verborgen in einem Reißverschlußfach. Fast hoffte ich, es würde alles nicht klappen, es wären Spaziergänger zu sehen oder ein Försterjeep zu hören.
    Der Ausblick vom Turm war herrlich. Im blauen Dunst sah ich in der Ferne Mannheim funkeln, im Südwesten mußte Ladenburg liegen. Ich suchte die unmittelbare Umgebung nach Menschen ab, sah aber nichts. Auf dem Waldparkplatz hatten
    zwei Autos gestanden.
    »Her mit dem Sekt!« forderte Beate.
    Ich breitete auf dem sonnenwarmen Boden des Turms ein rotkariertes Küchentuch aus. >Henkersmahlzeit< dachte ich.
    Beate musterte alles neugierig.
    »Gegrillte Hähnchenteile und Baguette, Schinken und Melone, Weintrauben und Käse! Rosi, du bist ein Genie!«
    Sie machte geübt den lauwarmen und mächtig sprudelnden Sekt auf. Beate fand diesen Schönheitsfehler lustig. Sie trank zwei Gläser schnell herunter, griff dann nach den Melonenscheiben und einem Hühnerbein. Ich tat auch so, als würde ich essen, aber die trockene Hühnerbrust blieb mir fast im Halse stecken. Ich mußte jetzt eigentlich den Revolver hinter Beates Rücken auspacken und meine lebenslustige Freundin - meine einzige - kaltblütig erschießen. Das konnte ich einfach nicht.
    »Du glotzt ja so ernst in die Gegend, Rosi. Komm, trink!« forderte mich Beate auf und schenkte mir ein. Ich hatte keine Pappbecher, sondern Kristallgläser und auch Porzellanteller mitgebracht.
    Beate trank ihr drittes Glas. Sie setzte sich auf die breite Brüstung.
    »Komm hierher, Rosi«, sagte sie, »es ist ja ein Jammer, wenn man auf dem Boden sitzt und gar nichts von der tollen Aussicht sieht. Wenn ich hier oben bin, möchte ich mich in eine Schwalbe verwandeln und mich leicht und elegant in die Ebene hinunterschwingen.« Sie ließ die Beine nach außen hängen.
    »Komm!«
    Ihr etwas breiter Rücken war mir zugewendet, die noch feuchten Haare glänzten. Unter dem eingelaufenen T-Shirt zeichnete sich scharf der Büstenhalter ab.
    »Ach Beate, ich stehe lieber, ich bin nicht schwindelfrei.«
    »Schwindel - ich weiß gar nicht, was das ist! Schon als Kind gab es für

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