Der Hahn ist tot
leise, es war nicht gelogen.
»Sie war schon toll«, sagte Witold, »diese wunderbare Tochter hatte eine wunderbare Mutter.«
Ich verstand ihn nicht. »Wer, Lessi?«
»Nein doch! Lessi mag ein nettes Mädchen sein, aber ich hätte mich nimmermehr in sie verliebt. Ich meine natürlich Vivian!«
Ich starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.
Witold lachte. »Ja, Thyra, so ist es. Ich bin in Vivian verliebt. Durch dich habe ich Beate kennengelernt und bei ihr wiederum ihre hinreißende Tochter.«
Ich stotterte: »Vivian ist doch fast noch ein Kind!«
»Aber ich bitte dich«, Witold fühlte sich angegriffen und reagierte gereizt, »sie ist eine schöne junge Frau von sechsundzwanzig Jahren, und an Reife kann sie es mit so manchem aus meinem Jahrgang aufnehmen.«
Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Beate, ich habe dich völlig umsonst umgebracht.
Witold sah mich etwas bestürzt an. »Ja«, meinte er, »du bist fix und fertig, und ich schwatze da von Verliebtsein. Wahrscheinlich findest du es auch völlig geschmacklos, daß ich kurze Zeit nach Hilkes Tod so empfinden kann. Ich wollte deswegen auch nicht, daß es irgend jemand erfährt, aber du weißt ja sowieso mehr von mir als alle meine Freunde, dich wollte ich einweihen.«
Unter Schluchzen fragte ich: »Wußte das Beate?«
»Vivian wollte es ihr anfangs nicht sagen, sie hatte Befürchtungen, ihre Mutter würde es nicht gutheißen, weil ich ja einige Jährchen älter bin. Beate hat ihre Kinder nie ausgefragt, aber vielleicht hat sie etwas geahnt, weil Vivian immer, wenn sie zu Hause zu Besuch war, das Auto ihrer Mutter auslieh und mich besuchen kam. Na, jedenfalls hat Vivian ihrer Mutter einen Tag vor dem Unfall alles erzählt.«
Es war entsetzlich. Aber mitten im Geflenne kam mir eine geniale Idee.
»Ach Witold, weißt du denn nicht, daß Beate selbst in dich verliebt war?«
Jetzt fiel ihm der Unterkiefer herunter.
»Nein, das glaube ich nie! Hat sie dir das etwa gesagt?«
»Ja, sie hat es mir anvertraut. Sie dachte wahrscheinlich, daß deine Besuche ihr galten.«
Witold starrte mich an. Ihm ging einiges durch den Kopf.
»Es muß Beate tief getroffen haben«, setzte ich meine Gedankengänge unbarmherzig fort, »als Vivian ihr von eurer Beziehung erzählt hat.«
»Um Gottes willen!« entsetzte sich Witold. »Du meinst doch nicht, daß sie sich meinetwegen umgebracht hat?«
Ich schwieg, zuckte mit den Schultern. Witold war ein Narziß, es leuchtete ihm sofort ein, daß man aus unglücklicher Liebe zu ihm von einem Turm springt.
»Thyra, ich beschwöre dich!« sagte er erregt und ergriff meine Hand, »das darfst du nie im Leben Vivian sagen! Sie ist ein überaus empfindsamer Mensch, sie würde sich für den Tod ihrer Mutter verantwortlich fühlen!«
»Nein, ich sage ihr natürlich nichts. Aber wenn mich die Polizei ausfragt, kann ich es auch nicht verschweigen. Immerhin ist es ein denkbares Motiv.«
Witold sah auf meinen blauen Teppich und grübelte.
»Daß ich gar nichts davon gemerkt habe! Aber doch - im nachhinein ist mir, als wäre ich blind gewesen! Natürlich, mir fallen jetzt Situationen ein, wo sie mich so seltsam angesehen hat. Ach, wir Männer sind so unsensible Wesen!«
Das Telefon klingelte. Es war Vivian.
»Hallo Rosi«, sagte sie, in ihrer leicht arroganten Art, »falls Rainer noch bei dir ist, möchte ich ihn sprechen.«
Ich gab Witold den Hörer. Er sagte ein paarmal »ja« und »nein« und schließlich: »Dann eben morgen. Paß auf dich auf und gute Nacht.«
Er schien sich mir gegenüber für diesen Anruf rechtfertigen zu wollen. Eigentlich hätte er vorgehabt, heute nachmittag zu ihr zu fahren, aber die ganze Zeit über seien so viele Verwandte dagewesen: Beates Vater, ihre zwei Schwestern und zwei Brüder. Er hätte nun Vivian abends abholen wollen, damit sie ein bißchen an die frische Luft käme. Aber nun sei auch der Architekt, Beates Exmann da; die Kinder sollten alle drei mit ihm die Todesanzeige aufsetzen.
»Na, dann kann ich auch noch ein paar Minuten hierbleiben«, schloß Witold. »Übrigens, ehe ich es vergesse, die Beerdigung wird am Freitag sein, bis dahin bist du wieder auf den Beinen«. Ich wäre lieber noch lange krank gewesen, aber zur Beerdigung mußte ich wohl oder übel hinfahren.
Witold fragte plötzlich: »Wo warst du eigentlich am Samstag?«
Ich hatte mir schon lange eine Antwort zurechtgelegt, allerdings hatte ich erwartet, daß nicht er, sondern die Polizei diese Frage stellen würde.
»Ach,
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