Der Hahn ist tot
geriet und sich davon trennen mußte.«
Scarlett meinte spöttisch: »Du siehst das aber sehr durch die romantische Brille! Vielleicht mochte sie deine Brosche nicht besonders, und vielleicht war ihr auch die Erinnerung nicht gar so heilig, wie du glauben möchtest.«
Man aß weiter, der Baeckaoffa blieb lange heiß.
»Wieviel hast du denn dafür bezahlt?« fragte Ernst, den das Thema weiter beschäftigte.
Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht mehr genau, aber sie war sehr teuer.«
Witold interessierte sich für Antiquitäten. »Solche Sachen haben natürlich Liebhaberpreise, ich könnte mir denken, daß sie in einem Heidelberger Antiquitätenladen mindestens dreitausend Mark kostet.«
Ernst sagte sehr leise zu mir: »Ich würde dir die Brosche gern abkaufen, aber fühle dich bitte nicht unter Druck gesetzt, sondern überlege in aller Ruhe. Ich würde jeden Preis zahlen oder dir auch ein Schmuckstück nach deiner Wahl kaufen.«
Ernst Schröder war also der Vater von Frau Römers Tochter! Verrückt war das schon; sah sie ihm ähnlich? Ich hatte diese Frau, die älter als Kitty war, erst einmal gesehen. Sie war Olegs und Annettes Halbschwester!
Mit einem gewissen Ekel sah ich Ernst Schröder an; er hatte Frau Römers Leben verpfuscht. Dann erinnerte ich mich an Scarletts großartige Geste, wie sie ihre goldfarbene Samtbluse verschenkt hatte.
»Ich mache keine Geschäfte mit dir, Ernst«, sagte ich mit eisigem Hochmut, »ich schenke dir die Brosche für deine Tochter.«
Das war ihm nicht recht. Er regte sich auf, aber immer mit begierigem Blick auf das Erbstück.
»Thyra«, sagte er, »ein solches Geschenk kann ich nie und nimmer annehmen. Wir gehen vor Weihnachten auf eine große Antiquitätenmesse, und du suchst dir dort etwas Wunderschönes aus. Aber du verstehst doch, daß dieses Stück für mich eine ganz persönliche Bedeutung hat?«
Die anderen hatten von unserem Handel nur mit halbem Ohr vernommen. Sie diskutierten über das morgige Programm. Kitty wollte wieder möglichst lange durch Wald und Feld marschieren, aber diesmal war es Witold, der etwas anderes im Sinn hatte.
»Entweder Colmar oder Straßburg«, schlug er vor, »Kinder, wir können doch nicht eine Woche durchs Elsaß fahren und jegliche Kunst und Kultur dabei aussparen.«
»Na gut, dann Straßburg«, sagte Scarlett, »ich habe mir vor Jahren totschicke Schuhe dort gekauft, diesen Laden finde ich wieder.«
»Banausin«, spottete Witold.
Das Geburtstagskind bewunderte die braunglasierte Keramikterrine, die hübsch mit weißen Blümchen und grünen Blättern bemalt war. »So eine kaufe ich mir in Straßburg, das Rezept vom Baeckaoffa schreibe ich mir genau auf, und heute in einem Jahr lade ich euch alle zu einem Gedächtnisessen ein.«
»Na wunderbar«, sagte Ernst freundlich.
Witold plante halblaut murmelnd die Besichtigung der Kathedrale, des Elsaß-Museums und des Viertels >La Petite Francec.
Eine gewisse Trägheit nach dem reichhaltigen Essen machte sich breit. Besonders Kitty gähnte ungezwungen. Witold und sie waren ja bereits am frühen Morgen herumgelaufen.
»Wann sollen wir morgen aufbrechen?« fragte Witold.
»Ach Rainer«, maulte Scarlett, »wir haben doch Ferien, das müssen wir doch jetzt noch nicht festlegen. Das findet sich nach dem Frühstück.«
Kitty fragte unter unermüdlichem Gähnen: »Holst du mich morgen zum Frühspaziergang ab?«
»Na klar«, sagte Witold, »ich klopfe wieder an die Tür. Vielleicht kommt Thyra auch mit.«
»Vielleicht«, antwortete ich.
Kitty wollte ins Bett, und wir brachen nun alle auf. Sie lag in Windeseile im Grand Lit, das ich heute mit ihr teilen mußte, während Scarlett sich das Zusatzbett geschnappt hatte. Kitty streckte alle viere von sich, seufzte »Gute Nacht« und schlief den gerechten Schlaf der fleißigen Wanderer.
8
P amela Schröder zog einen Trainingsanzug von ihrem Sohn an. »Meine Nachtkleidung taugt nicht für dieses Massenlager«, sagte sie, was ich nicht ganz verstand.
Sie grinste. »Ich schlafe sonst nackt«, erklärte sie schockierenderweise.
Kaum lag ich neben Kitty, da fing sie an zu schnarchen.
Scarlett fluchte.
»Das ist ja entsetzlich, macht sie das immer?«
Ich versicherte, daß Kitty die zwei vorherigen Nächte völlig diszipliniert und tonlos geschlafen hätte.
»Dreh sie mal um«, befahl Scarlett, »dann hört es meistens auf.«
Ich versuchte es. Aber Kitty wendete sich mit Kraft wieder in die ihr vertraute Rückenlage
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