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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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nicht sehr lauten - Gespräch wach geworden war? Was sollte ich nun machen?
    Ich zog den Stecker aus der Steckdose, den Lockenstab aus der Wanne. Ich besah mir die Nackte und fühlte den Puls, war mir aber nicht ganz sicher, ob ich ihn schwach spüren konnte oder nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß sie lebte. Sie würde bald zu sich kommen, schreien, mich verraten: Nicht nur, daß ich sie ermorden wollte, sondern auch die Sache mit Beate.
    Meine Ärmel durften nicht naß werden. Ich krempelte sie hoch, setzte mich auf den Wannenrand und schob ihren Kopf langsam hinunter, bis er ganz unter Wasser war, dafür aber die Beine aus der kleinen Wanne ragten. Ich sah auf die Uhr und hielt den Kopf eine gute Viertelstunde in dieser Lage. Scarlett bewegte sich nicht. Die Augen stierten mir grün zwischen den roten, tangartigen Haarsträhnen entgegen, ihr sommersprossiger Körper erschien mir lappig und schwammig. Sie war tot.
    Ich trocknete mir gründlich die Arme ab, wickelte Scarletts Lockenstab in ein Hotelhandtuch und lauschte am Schlüsselloch, ob irgendwelche Laute von Kitty zu vernehmen waren. Nichts zu hören. Vorsichtig drehte ich den Schlüssel herum und öffnete unendlich leise die Tür. Kitty schlief fest wie seit Stunden. Mit dem Lockenstab im Handtuch schlüpfte ich aus dem Bad, schloß die Tür, tastete mich an meinen Koffer und versteckte das feuchte Bündel unter meinen Kleidern. Dann versuchte ich, mich ohne die geringste Erschütterung auf das Bett gleiten zu lassen. Kitty drehte sich ein wenig und murmelte »Rainer«.
    Nun lag ich da und wußte, daß ich wieder krank werden würde. Diesmal fand man eine Leiche in meiner unmittelbaren Nähe. Das eine Handtuch war naß, Scarlett aber lag in der Wanne und hatte es nicht benutzt; das zweite Handtuch fehlte ganz - war das nicht überaus verdächtig? Ob mich jemand nachts im Garten gesehen hatte? Vielleicht hatte Ernst seiner Frau nachspioniert? Sah man einem Körper an, daß er einen Elektroschock erlitten hatte - gab es Spuren? Bei Starkstromverletzungen, das wußte ich, kam es zu schweren Verbrennungen. An Scarlett war mir äußerlich nichts aufgefallen, aber ich war weder Arzt noch von der Kripo. Auf keinen Fall durfte ich als erste aufstehen und die Leiche finden. Witold würde Kitty wieder frühzeitig wecken. Sie würde dann ins Bad huschen, und ich mußte von ihrem grauenhaften Schrei geweckt werden.
    Ich lag im Bett, es wurde langsam hell, ich wartete auf Witolds Klopfen und auf Kittys Schrei, aber es war schließlich acht, und nichts rührte sich.
    Während die Minuten dahinschlichen, überlegte ich, ob ich Witold überhaupt noch wollte. Ich hatte solche Opfer für ihn gebracht, meine Freiheit, mein soziales Ansehen und auch alle meine bisherigen Lebensgewohnheiten aufs Spiel gesetzt. Wenn er mich plötzlich - was unwahrscheinlich war, lieben würde, mit mir Tisch und Bett, Geld, Urlaub, Freunde und Gewohnheiten teilen wollte, war das eigentlich erstrebenswert? Alles kam mir fragwürdig vor; er war mir im Grunde unendlich fremd. Verzweiflung überfiel mich; warum hatte ich drei Frauen umgebracht? Die erste mehr oder weniger aus Versehen, da konnte ich mir nicht viel vorwerfen. Eine schlimme Sache war der Mord an Beate, total überflüssig. Ich mochte nicht daran zurückdenken. Aber die heutige Tat - das Ertränken einer Hexe - erfüllte mich mit einer gewissen Genugtuung. Diese Frau hatte mich im Gegensatz zu den anderen aufs tiefste beleidigt.
    Kitty rührte sich. Ich mußte mich fest schlafend stellen. Aus der Matratzenbewegung war zu schließen, daß sie sich aufsetzte, die Füße aus dem Bett schwang, wahrscheinlich auf die Uhr sah. Ich wußte, daß es halb neun war. Sie gab einen winzigen Laut der Verwunderung von sich, reckte und streckte sich und tappte auf bloßen Füßen ins Bad.
    Der erwartete Schrei kam nicht, dafür eine von ihr bisher nicht benutzte resolute Lehrerinnenstimme: »Thyra, komm sofort!«
    Das Kommando war durchdringend laut, so daß ich gehorchen mußte. Mit fahlem Gesicht und Übelkeit im Magen begab ich mich an den Ort meines Verbrechens. Die Fenster im Bad waren völlig beschlagen. Kitty hielt Scarletts Kopf aus dem Wasser.
    »Pack an!« befahl sie, »halte sie unter dem rechten Arm, wir legen sie über den Wannenrand, damit das Wasser aus der Lunge laufen kann.«
    Der schlaffe Oberkörper wurde mit vereinten Kräften über den Rand gehängt, lauwarmes Wasser tropfte in Mengen auf den Boden.
    »Hol sofort die

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