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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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erringen?«
    »Na und, will das nicht jede Frau?« fragte Witold frech.
    Scarlett schien ihn zu mißhandeln, denn er schrie etwas zu laut: »Au, bist du verrückt!«
    »Und die liebe Kitty hast du dir auch unterworfen. Hast du eigentlich mal mit ihr geschlafen?«
    »Mein Gott, Scarlett, du muß mich ja wahnsinnig lieben, daß du so viel Eifersucht produzierst!«
    »Du Hund von einem trauernden Witwer! Irgendeine Frau hast du, das spüre ich genau. Oder war es etwa diese Beate?«
    »Nicht schlecht geraten. Aber, liebe Scarlett, du dürftest allmählich bemerkt haben, daß ich das Alter unter dreißig bevorzuge!«
    Mitten in diesem Geplänkel fing sie an zu schluchzen. Das Weib war raffiniert, denn auf der Stelle brach Witolds Trösterund Helfernatur durch, - er flüsterte und schien sie zu liebkosen.
    Mir war, als würde mein Herz zerschnitten. Diese Frau hatte einen netten Mann und zwei Kinder, sie hatte Schönheit und Temperament, Geld und Freunde. Warum nahm sie sich diesen Mann, wo sie doch wußte, daß Kitty und ich ihn brauchten.
    Ganz leise und sanft sagte sie: »Im Auto ist es ein bißchen wärmer!«
    Jetzt schlichen die beiden davon, so wie ich vorhin herbeigeschlichen war. Kurze Zeit später hörte ich den Motor von Witolds Auto. Anscheinend hatten sie wenigstens den Anstand, es nicht direkt auf dem Parkplatz zu treiben.
    Ich brauchte nun nicht mehr zu schleichen. Zitternd ging ich wieder ins Haus und legte mich neben Kitty, die Ahnungslose.
    Ich wartete. Zwei Stunden waren vergangen. Kitty schnarchte diskreter, ich schlief immer wieder sekundenlang ein, wachte aber sofort mit dem Entsetzen auf, daß ich meinen Kampf um Rainer Witold Engstern verloren hatte. Nicht an Vivian, die junge, auch nicht an Kitty, der ich den Sieg um ein Haar gegönnt hätte, sondern an eine Teufelin. Im Mittelalter hätte man sie verbrannt.
    Ich mochte doch etwas länger geschlafen haben. Plötzlich meinte ich, von einem Geräusch geweckt worden zu sein. Kitty atmete ruhig; war Scarlett zurückgekommen und im Bett? Ich knipste das Lämpchen an. Es war halb vier, das Zusatzbett war leer. Mein ebenfalls leerer Magen knurrte, ich empfand brennenden Durst. Ich machte das Licht wieder aus und tappte die vier Schritte zur Badezimmertür, um Wasser zu trinken.
    Die Bäder waren in diesem alten Haus nachträglich eingebaut worden. Man hatte von dem an sich großen Raum eine Ecke abgeknapst und in ein Mini-Bad verwandelt. Auf abenteuerliche Weise war es dem Architekten gelungen, ein schwenkbares Bidet, eine kleine Wanne, Klo und Waschtisch unterzubringen und somit den Vorschriften Genüge zu leisten.
    Im Bad brannte Licht, aber es war nicht abgeschlossen. Scarlett lag in der Wanne. Ich starrte sie an wie ein Gespenst. Sie war ein wenig verlegen.
    »Komm ruhig rein«, sagte sie, »ich schließe nie ab. Ich war so durchgefroren, da hilft mir nur ein heißes Bad.«
    Ich nahm das Zahnputzglas und füllte es mit Wasser.
    »Du warst nicht im Bett?« fragte ich
    Sie reagierte gereizt und aggressiv. »Wenn du es schon weißt, warum fragst du dann.«
    In mir kochte es. »Du denkst wohl, eine alte Schachtel, ein hölzernes Gretchen, müßte gleichzeitig auch noch blöde sein? Ich weiß, mit wem du draußen warst.«
    Scarlett war kampfbereit. »Du hast uns belauscht«, stellte sie fest, »und zwar, weil du ihn selber willst. Pfui Spinne, ich finde das zum Kotzen!«
    »Scarlett, wie du dich affigerweise nennst, was du gemacht hast, ist natürlich edel und anständig«, konterte ich.
    »Ich habe wirklich nichts Unrechtes getan«, sagte sie, »aber wenn prüde und zu kurz gekommene Jungfern hinter allem und jedem Sünde wittern und andere Menschen belauschen, dann ist das für mich der Inbegriff von Schlechtigkeit.«
    Ich schnaubte vor Haß und rang nach Worten, um es ihr heimzuzahlen.
    Scarlett hob ihren hübschen kleinen Fuß mit den rotlackierten Zehnägeln hoch und betrachtete ihn zufrieden.
    »Was war mit Beate?« fragte sie.
    Mir stockte der Atem. »Wieso?«
    »Sie hat was mit Rainer gehabt«, fabulierte das Biest, »und du hast sie aus Neid vom Turm gestoßen.«
    Ich griff nach dem elektrischen Lockenstab, den Scarlett bei ihrem abendlichen Aufputz benötigt hatte. Der Stecker war eingeschaltet. Blitzschnell fegte ich ihn in die volle Badewanne.
    Durch den Kurzschluß ging die Spiegelleuchte aus, aber die Deckenlampe zum Glück nicht. Scarlett wurde ohnmächtig. Oder war sie tot?
    Ich schloß geistesgegenwärtig die Tür ab. Ob Kitty von unserem -

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