Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
Vom Netzwerk:
und schnarchte weiter.
    Scarlett stand am Fenster. Plötzlich zog sie ihren Anorak an, ergriff die Zigaretten und das Feuerzeug und meinte, sie ginge noch eine rauchen.
    Ich sah aus dem Fenster in den dunklen Garten. Dort glühte bereits eine Zigarette. Scarlett war zielstrebig dorthin gelaufen, und schon sah man zwei Glühwürmchen, die auf eine verschwiegene Bank zusteuerten.
    Das konnte nur Witold sein, mit dem sie sich traf. Wollten beide nur in Ruhe qualmen, ohne von ihren nicht-rauchenden Zimmergenossen gescholten zu werden, oder hatten sie etwas miteinander? Wenn ich nur hören könnte, was sie sprachen.
    Nach fünf Minuten war meine Geduld zu Ende. Hier schnarchte Kitty mit unerschütterlicher Exaktheit, dort saß Witold mit der roten Hexe auf einer Bank. Ich zog mir die Jacke über den Jogginganzug, Socken und Hausschuhe über die bloßen Füße und einen Schal um den Hils. Die herbstliche Nachtluft war zwar nicht eisig, aber feucht und frisch.
    Kitty merkte nicht, daß auch ich das Zimmer verließ. Die Treppe zum Erdgeschoß war breit, ich tastete, ohne Licht zu machen, hinunter, schlich durch die offene Tür in den Garten. Ein Hochgefühl überkam mich. Gleich würde ich wieder teilnehmen an Witolds Privatleben, würde ich Worte hören, die nur für einen bestimmten Menschen gedacht waren. Möglich war natürlich auch, daß ihre Unterhaltung völlig oberflächlich war.
    In diesem Garten mit Kieswegen und Blumenbeeten kannte ich mich nicht gut aus. Es dauerte ziemlich lange, bis ich auf Umwegen und mit vielen Pausen in die Nähe der bewußten Bank - die ich ohne glimmende Zigaretten nur erahnen konnte - herangeschlichen war. In diesem Fall wäre es vernichtend peinlich gewesen, wenn sie mich entdeckt hätten. Nun hörte ich sie reden, aber leise und vertraulich, ich mußte noch viel näher herankommen, damit ich sie verstehen konnte. Wie ein Indianer kroch ich auf allen vieren, da die Büsche nur halbhoch waren und nicht genügend Schutz boten.
    Scarlett schimpfte auf ihren Mann.
    »Ich kann seine Angeberei nicht ertragen. Wenn er einmal angeleiert ist, kommt meistens noch ein Dutzend andere Weibergeschichten aufs Tapet.«
    »Für mich war das heute aber eine echte Enthüllung«, meinte Witold, »diese Story hat er mir noch nie erzählt.«
    »Wenn sie überhaupt wahr ist«, fauchte Scarlett, »es ist doch äußerst kränkend für mich, wenn er immer in meiner Gegenwart von gehabten Liebesfreuden redet, und geradezu scheußlich finde ich seine Klagen, daß es damit vorbei ist.«
    »Du mußt dich rächen«, schlug Witold vor. »Denkst du auch noch oft an Portugal?«
    Beide schwiegen.
    Pamela Schröder fragte schließlich: »Wo hast du eigentlich diese alte Schachtel auf getrieben?«
    »Wen meinst du?«
    »Na, diese Thyra, wie sie sich affigerweise nennt.«
    »Aus deinen Worten spricht der blanke Neid, weil du in diesem Kreis nicht mehr die Königin der Exotennamen bist. Ich habe sie in Weinheim auf der Kerwe kennengelernt.«
    »Rainer, jetzt lügst du. Solche hölzernen Gretchen lassen sich nicht auf der Kirmes ansprechen.«
    »Sie war ja auch nicht allein dort. Hat Ernst dir nicht davon erzählt? Als du in Amerika warst, sind Ernst und ich auf die Kerwe gegangen und haben dort Thyra und ihre Freundin zufällig kennengelernt.«
    »Ach ja, die Freundin ist doch die, die vom Turm gefallen wurde?«
    »Stimmt, Beate hieß sie, eine wirklich nette Frau. Wie die Sache mit dem Turm nun de facto war, kriegt nicht mal unsere Superpolizei heraus.«
    »Rainer, du hast es raffiniert eingefädelt, auf diesem ElsaßTrip deine Fans um dich zu scharen...«
    »Gehörst du etwa dazu?«
    Scarlett lachte und verlangte Feuer für die zweite Zigarette. »Ich habe eben ein Rascheln gehört«, sagte sie zu meinem Schrecken.
    »Mäuse, Katzen, Löwen und Tiger. Und außerdem der eifersüchtige Ernst mit einem Hirschfänger«, scherzte Witold.
    »Ach, wenn er doch eifersüchtig wäre! Ich habe das Gefühl, es interessiert ihn gar nicht, was ich so treibe.«
    »Sollen wir das mal wieder testen?« schlug Witold vor.
    »Auf so ein Angebot warte ich schon lange«, erwiderte Scarlett, »und als erstes könntest du mich etwas wärmen, es wird nämlich kalt hier draußen.«
    Witold schien den Arm um sie zu legen, die beiden Zigaretten waren sich sehr nahe. Ich hatte Lust, beide auf der Stelle zu lynchen.
    »Um wieder auf deine Verehrerin zu kommen«, begann Scarlett erneut, »merkst du gar nicht, daß sie alles täte, um deine Gunst zu

Weitere Kostenlose Bücher