Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)
Nachmittag, als Lilly ins Schlafzimmer
schwankte. Sie war so viel Alkohol nicht gewohnt, schon gar nicht am Tag. Aber
mit jedem Gläschen war sie mutiger und auch empfänglicher für ihr
bevorstehendes Abenteuer geworden. Drei Männer hatte sie sich inzwischen ausgesucht.
Mit dem Ersten würde sie sich schon in zwei Tagen treffen. Nüchtern hätte Lilly
sich das niemals zugetraut.
Mit einiger Mühe gelang es Lilly den Schalter ihrer
Stereoanlage zu treffen. Als ihre Lieblingsmusik zu spielen begann, wankte sie
weiter zu dem großen Spiegel in der Zimmerecke und begann sich langsam zu
entkleiden. Sie drehte sich dabei zur Musik. Manchmal geriet sie dabei aus dem
Gleichgewicht, dann lachte sie ihrem Spiegelbild zu, hob tadelnd den
Zeigefinger und sagte mit schwerer Zunge: „Du bist ein böses Mädchen. Was
trinkst du auch so viel? Morgen wird es dir schlecht gehen.“ „Aber heute fühle
ich mich wunderbar!“, gab sie sich selbst zur Antwort und begann ihren
schlanken Körper vor dem Spiegel hin und her zu wiegen. Ihre blauen Augen
leuchteten und ihre Wangen waren gerötet.
Als das letzte Lied ihrer CD verklungen war, ließ Lilly sich
rückwärts auf ihr Bett fallen und schlief auf der Stelle ein.
Es war vier Uhr morgens, als sie mit bohrenden Kopfschmerzen
erwachte. Als ihr einfiel, was sie am Tag zuvor getan hatte, wurde ihr vor
Angst auch noch übel. Lilly holte sich aus der Küche ein Glas Wasser, in dem
sie zwei Schmerztabletten auflöste. Dann ging sie ins Bad und nahm eine heiße
Dusche.
Da ihr noch mehr als eine Stunde Zeit blieb, bis sie zur
Arbeit gehen musste, klappte sie noch einmal das Notebook auf und fragte ihre
E-Mails ab.
Ihre erste Verabredung, Frank, hatte ihr seit gestern
Nachmittag ganze fünf E-Mails hinterlassen. Er nannte Lilly „sein
Zuckermäuschen“. Er schrieb, er freue sich schon sehr, sie zu treffen. Es würde
sicher ein wundervoller Abend werden. Er sei schon ganz verliebt in sie.
Lilly fühlte sich nicht wohl, als sie seine Zeilen las. Es
waren zu viele Mails, in zu kurzer Zeit geschrieben und vor allem waren sie ihr
alle zu vertraulich.
Frank hatte Lilly ja noch nicht einmal gesehen. Wie konnte
er da von Zuckermäuschen und verliebt sein reden?
Als Lilly Frank am nächsten Abend traf, wurden ihre
Vorahnungen bestätigt. Schon als sie noch auf Parkplatzsuche an dem vereinbarten
Lokal vorbei fuhr, sah sie ihn an der Tür stehen.
Frank trug einen Anzug und hielt einen riesigen, bunten
Blumenstrauß in seinen Händen. Sein dünnes, blondes Haar schien frisch geföhnt
und Lilly wäre am liebsten sofort wieder nach Hause gefahren. Lilly fand Anzüge
alles andere als anziehend. Die Vorstellung gleich mit diesem Mann und einem
unübersehbaren Blumenstrauß das Restaurant betreten zu müssen, war ihr nahezu
unerträglich. Aber Frank strahlte derart viel freudige Erwartung aus, dass
Lilly es nicht über sich brachte, ihn dort stehen zu lassen. Aus Mitleid ging
sie schließlich auf ihn zu.
„Mein Zuckermäuschen!“, rief er ihr schon von Weitem
entgegen und sie zuckte vor Scham zusammen. Er schloss sie umständlich in seine
schlaksigen Arme und überreichte ihr dann den Blumenstrauß.
Frank aß das Gleiche wie Lilly. Frank trank das Gleiche wie
Lilly. Frank stimmte jeder Aussage Lillys mit einem eifrigen Kopfnicken zu.
Lilly beobachtete, wie sein feines Haar dabei mitwehte. Sie musste sich
zwingen, ihren Blick abzuwenden. Er betete sie an, obwohl sie eine völlig
Unbekannte für ihn war. Aber das schien ihm nichts auszumachen. Die Erstbeste
schien für ihn die Beste zu sein.
Frank erzählte, dass er geschieden sei. Er erzählte Lilly,
wie viel Unterhalt er seiner Exfrau zahle und wies sie darauf hin, dass diese
nur deshalb so viel bekäme, weil er so viel Geld verdiene. Nach dem Essen
kramte er eine kleine goldfarbene Pillendose aus seiner Jackentasche hervor,
öffnete sie und bot Lilly eine der fliederfarbenen Pillen daraus an. Fragend
sah Lilly ihn an. „Das sind Verdauungspillen“, erklärte ihr Frank. „Nach dem
Essen bekomme ich oft Blähungen. Mit diesen Tabletten geht es mir besser.“
Lilly lehnte dankend ab und lächelte. „Ich muss hier weg!“ dachte sie panisch.
„Ich muss hier sofort weg aus diesem Albtraum.“
Lilly trank ihr Glas leer, bedankte sich für den netten
Abend und sagte Frank, dass sie heute viel gearbeitet habe und müde sei.
Sofort sprang er auf und half ihr in die Jacke. „Treffen wir
uns morgen wieder?“ fragte
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