Der Hauch Des Bösen: Roman
weil ich sehe, dass sie eine Freundin von Ihnen war. Wie lange haben Sie sie gekannt?«
»Das ist unmöglich. Das darf nicht sein.« Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. »Sie hat letzten Sommer, Anfang letzten Sommer hier begonnen. Sie geht aufs College und braucht deshalb den Job. Manchmal gehen wir zusammen aus.«
»Sie standen einander also ziemlich nahe. Waren Sie ein Paar?«
»Wir waren miteinander befreundet, das war alles. Ich habe eine Freundin. Aber manchmal haben wir zusammen eine Kneipentour gemacht oder uns einen neuen Videofilm angesehen.«
»Hatte sie einen festen Freund?«
»Niemand Speziellen. Sie hat ihre ganze Zeit für ihr Studium gebraucht. Sie hat Tag und Nacht nur gelernt.«
»Hat sie je davon gesprochen, dass sie von irgendwem belästigt wird? Vielleicht von irgendeinem Typen, der doch was Festes wollte?«
»Ich... tja, da war dieser Typ, den wir einmal in einem Club getroffen haben. Danach ist sie einmal mit ihm ausgegangen, in irgendein Restaurant, das ihm gehörte oder so. Aber sie meinte, er wäre ein Grabscher, und hat ihn deshalb abserviert. Das hat ihm nicht gefallen, und eine Zeit lang hat er sie immer wieder
angemacht. Aber das ist Monate her. Das muss vor Weihnachten gewesen sein.«
»Haben Sie auch einen Namen?«
»Diego.« Er erschauderte. »Den Nachnamen kenne ich nicht. Sah ziemlich geschniegelt aus und hatte todschicke Klamotten an. Ich habe ihr sofort gesagt, dass er ein Aufreißer ist, aber er konnte tanzen, und sie hat gern getanzt.«
»In was für einem Club war das?«
»Im Make The Scene. Oben am Union Square, wo die Vierzehnte abgeht. Er - er hat sie doch wohl nicht vergewaltigt, bevor er sie dort reingeworfen hat?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Sie war noch Jungfrau.« Seine Lippen fingen an zu zittern. »Sie hat gesagt, sie wollte es nicht einfach tun, nur um es zu tun. Ich habe sie öfter damit aufgezogen, Sie wissen schon, es war ein Spaß, wie man ihn unter Freunden macht. Wenn er ihr das angetan hat...« Der Tränenstrom versiegte, und sein Blick wurde stahlhart. »Dann müssen Sie ihm auch wehtun. Sie müssen ihm so wehtun, wie er ihr wehgetan hat.«
Als sie wieder draußen stand, schüttelte Eve missmutig ihren Kopf und wünschte, sie hätte ihre Sonnenbrille nicht schon wieder verlegt. Sie hatte keine Ahnung, wo sie das verdammte Ding verschusselt hatte.
»Das Bein ist tatsächlich gebrochen«, informierte ihre Assistentin sie. »Außerdem hat er eine verrenkte Schulter und irgendeinen Schaden an der Rotatorenmanschette.«
»Was?«
»Summerset. Roarke hat gesagt, dass sie ihn über Nacht im Krankenhaus behalten werden, dass er aber
Vorkehrungen trifft, damit man ihn im Anschluss zu Hause pflegen kann. Da er sich außerdem am Knie des nicht gebrochenen Beines eine starke Prellung zugezogen hat, wird es eine ganze Weile dauern, bis er wieder laufen kann.«
»Scheiße.«
»Oh, und Roarke lässt Ihnen ausrichten, dass er Ihre Sorge um den Patienten zu schätzen weiß und ihm Ihre Grüße ausrichten wird.«
»Scheiße«, wiederholte Eve.
»Und um Ihre Freude noch zu vergrößern, hat eben Nadines Anwalt angerufen. Sie haben eine Stunde Zeit, um sie zu vernehmen, sonst reicht Channel 75 im Namen von Ms Furst eine offizielle Beschwerde gegen Sie bei Ihren Vorgesetzten ein.«
»Trotzdem wird sie noch ein bisschen schmoren müssen.« Eve zog Peabodys Sonnenbrille aus der Brusttasche von deren Uniform und setzte sie sich auf. »Wir müssen nämlich erst die nächsten Verwandten von Rachel Howard verständigen.«
Das Einzige, was Eve sich wünschte, als sie schließlich auf die Wache kam, war eine kalte Dusche. Dafür war jedoch keine Zeit. Stattdessen marschierte sie direkt in die so genannte Lounge, einen Warteraum für Leute, die Verwandte hierherbegleitet hatten, und für potentielle Zeugen, die nicht selbst verdächtig waren. Es gab Stühle, Tische, Automaten, an denen man Getränke oder kleine Snacks erstehen konnte, sowie ein paar Fernseher, um sich zu beschäftigen, bis man endlich an die Reihe kam. Momentan waren die einzigen Personen in der Lounge Nadine, ihr Team sowie
ein Kerl in einem eleganten Anzug, der wohl ihr Anwalt war.
Als Eve den Raum betrat, sprang Nadine von ihrem Stuhl. »Ich will Ihnen mal was sagen...«
Der große, schlanke Mann in dem schicken Anzug, der dicht gewelltes braunes Haar und kühle blaue Augen hatte, legte eine Hand auf ihren Arm. »Nadine. Überlassen Sie die Sache besser mir. Lieutenant Dallas,
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