Der Hauch Des Bösen: Roman
sie nicht aus.
Trotzdem fanden die grauenhaften Träume einen Weg in ihr Gehirn und zerrten sie mit kalten Klauen in ihr dunkles Reich hinab.
Der Raum war ihr vertraut. Auf grauenhafte Art vertraut. Der fürchterliche Raum in Dallas, in dem es bitterkalt und der von einem schmutzig roten Licht erfüllt gewesen war. Sie wusste, dass sie träumte, und kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Doch sie roch bereits das Blut - an ihren Händen, an dem Messer, das sie fest umklammert hielt, auf dem Boden, in seinem Gesicht, auf seinem Bauch.
Sie konnte riechen, dass er tot war. Die Vision der Tat, die sie begangen hatte, um sich selbst zu retten, hatte sich ihr für alle Zeiten eingeprägt.
Ihr Arm tat höllisch weh. Der Arm des Kindes in dem Traum, der Arm der Frau, die in dem Traum gefangen war. Er brannte heiß dort, wo er ihn gebrochen hatte, brannte bis hinauf in ihre Schulter und bis hinunter in die Spitzen ihrer rot glänzenden Finger.
Sie würde sich die Hände waschen. Das hatte sie in jener Nacht getan und täte es auch jetzt. Wüsche all das Blut, wüsche den Tod mit kaltem Wasser fort.
Sie bewegte sich schleppend wie eine alte Frau, zuckte zusammen, als es zwischen ihren Beinen stach, versuchte nicht daran zu denken, was der Grund für dieses Stechen war.
Es roch metallisch - roch nach Blut -, aber woher konnte sie das wissen? Schließlich war sie gerade mal acht Jahre alt.
Er hatte sie erneut geschlagen. War zurückgekommen und nicht betrunken genug gewesen, um sie zu übersehen. Also hatte er sie abermals geschlagen, vergewaltigt und gebrochen. Dieses Mal jedoch hatte sie ihn gestoppt.
Das Messer hatte ihn gestoppt.
Jetzt konnte sie gehen, konnte vor der Kälte fliehen, aus dem Zimmer, vor dem grauenhaften Mann.
»Du wirst mir nie entkommen, das weißt du genau.«
Sie hob den Kopf. Über dem Waschbecken hing ein kleiner Spiegel. In ihm sah sie ihr eigenes Gesicht - schmal, bleich, mit vor Schock und Schmerzen dunklen Augen - und das Gesicht einer anderen Person.
Wunderschön, mit leuchtend blauen Augen, seidig weichem, rabenschwarzem Haar und vollen, festen Lippen. Wie ein Bild in einem Buch.
Roarke. Sie kannte ihn. Sie liebte ihn. Er war mit ihr nach Dallas gefahren und hatte sie dann mit sich genommen, fortgebracht. Als sie sich nach ihm umsah, war sie kein Kind mehr, sondern eine Frau. Doch immer noch lag zwischen ihnen der Mann, der ihr Vater gewesen war.
»Ich will hier nicht bleiben. Ich muss jetzt nach Hause. Ich bin so froh, dass du gekommen bist und mich nach Hause bringst.«
»Du hast Richie umgebracht, nicht wahr?«
»Er hat mir wehgetan. Er hat nicht aufgehört, mir wehzutun.«
»Tja, hin und wieder muss ein Vater seinem Kind wehtun, damit es Respekt vor ihm bekommt.« Er ging vor ihrem Vater in die Hocke, zog den Kopf des Toten an den Haaren in die Höhe und inspizierte ihn genauer. »Weißt du, ich habe ihn gekannt. Wir haben ab und zu Geschäfte miteinander gemacht. Wir sind aus demselben Holz geschnitzt.«
»Nein, du bist völlig anders. Du hast ihn nie zuvor gesehen.«
Das Blitzen seiner blauen Augen brachte ihren Magen dazu, dass er sich furchtsam zusammenzog. »Es gefällt mir ganz und gar nicht, wenn eine Frau mich einen Lügner nennt.«
»Roarke...«
Er griff nach dem Messer und stand langsam wieder auf. »Du hast den falschen Roarke erwischt. Ich bin Patrick Roarke.« Lächelnd, böse lächelnd, drehte
er das Messer in der Hand und trat drohend auf sie zu. »Und ich glaube, es ist höchste Zeit, dass du etwas Respekt vor Vätern bekommst.«
Während der Schweiß wie Blut aus ihren Poren rann, fuhr sie schreiend aus dem Schlaf hoch.
Bis all ihre Leute kamen, hatte sie sich wieder in der Gewalt. Albträume, die Sorge um Roarke, ja selbst die Unterhaltung, die sie mit seinem Butler würde führen müssen, waren vorläufig verdrängt.
»Wir suchen nach diesem Luis Javert, der im Januar, als die Fotos von Rachel auf der Hochzeit aufgenommen wurden, Hastings’ Assistent gewesen ist. Dem bisherigen Täterprofil zufolge gehen wir erst mal davon aus, dass er zwischen fünfundzwanzig und sechzig ist, in höchstem Maße funktional, künstlerisch veranlagt, hochintelligent. Wahrscheinlich lebt er allein und ist entweder im Besitz einer Foto- und Bildbearbeitungsausrüstung oder hat leichten Zugang zu dem Zeug. Ich gehe davon aus, dass er die Sachen selbst besitzt. Schließlich bildet es die Grundlage für seine Arbeit, seine Kunst.
Feeney, ich möchte, dass du noch mal
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