Der Hauch Des Bösen: Roman
hohen, fein gemeißelten Wangenknochen, seidig schimmernden, schwarzen, straff im Nacken zusammengebundenen Locken und drei kleinen Steckern in jedem Ohr.
»Hier ist ständig was los. Es wäre also ein Risiko gewesen, sie abends um zehn direkt vor der Tür des Krankenhauses abzupassen, zu betäuben und in einen Wagen zu verfrachten. Weißt du, wo sie gewohnt hat?«
»Ja.« Obwohl er sich genau an die Details erinnerte, zog er seinen elektronischen Kalender aus der Tasche, denn so brauchte er Eve nicht anzuschauen. »Alicia Dilbert, zwanzig Jahre alt. Medizinstudentin an der New Yorker Uni. Wohnhaft in der Sechsten Ost, also drei Blocks nördlich von hier. Als einzigen Angehörigen hatte sie einen Bruder, einen gewissen Wilson Buckley.«
»Was?« Sie hob ruckartig den Kopf. »Was hast du gesagt?«
»Dass ein gewisser Wilson Buckley ihr nächster Angehöriger ist.«
»Verdammt.« Sie massierte sich den Nacken. »Gottverdammt, Feeney, den kennen wir.«
Nachdem sie mit der Arbeit am Fundort fertig war, lief sie zu Roarke, der mit Nadine Furst zusammenstand. »Keine Fragen«, sagte sie, ehe Nadine einen Ton von sich geben konnte. »Ich werde Ihnen später alles erklären.«
Etwas in Eves Ton ließ Nadine sämtliche Fragen unterdrücken. »Okay. Aber bitte noch vor zehn, Dallas. Spätestens um zehn muss ich irgendetwas haben, und zwar ein bisschen mehr als das, was mir der Polizeisprecher erzählt.«
»Ich werde es versuchen«, schnauzte Eve sie an. »Er hat Ihnen die Nachricht gegen sechs geschickt...«
»Hat mich wieder mal damit geweckt. Ich habe meine Bürgerpflicht getan, Dallas. Feeney hat alles von mir gekriegt.«
»Das hat er mir erzählt. Ich kann Ihnen zurzeit nicht mehr sagen, Nadine.« Eve fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar.
Etwas stimmte nicht, dachte Nadine. Etwas stimmte ganz und gar nicht. »Was ist los?« In einer freundschaftlichen Geste berührte sie eine von Eves viel zu straff gespannten Schultern. »Unter uns, Dallas. Was ist los?«
Aber Eve schüttelte lediglich den Kopf. »Nicht jetzt. Ich muss den nächsten Angehörigen verständigen. Ich will nicht, dass ihr Name irgendwo erscheint, bevor ich bei ihm war. Sie können Feeney um eine offizielle Stellungnahme bitten. Er ist noch eine Weile hier. Ich muss los. Roarke?«
»Was hast du ihr nicht erzählt?«, fragte er, als sie durch den Lärm und das Gedränge zu ihrem Wagen liefen. »Was ist anders an diesem dritten Fall?«
»Ich denke, dass er mich unmittelbarer betrifft. Ich kenne ihren Bruder. Und du auch.« Ehe sie sich hinter das Lenkrad setzte, blickte sie noch einmal zu der toten jungen Frau. »Du hast gesagt, dass du mir helfen willst. Dafür wäre jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Peabody soll Feeney dabei helfen, die Angestellten und die Nachbarn zu vernehmen, und wenn ich mit dem Bruder spreche, kann ich gut Hilfe brauchen.«
»Wer ist es?«
Er hatte ganz in der Nähe seiner kleinen Schwester gelebt. Nicht im selben Haus, nicht einmal im selben Block. Trotzdem nah genug. Hingegen lag sein Laden weit von ihrer Wohnung entfernt. Diese Tatsache sagte bereits sehr viel aus.
Er hatte ihr eine gewisse Freiheit lassen wollen, sie hatte die Flügel spreizen sollen, allzu weit fliegen allerdings nicht. Und das Gesindel, das normalerweise seinen Club besuchte, hatte aus der Entfernung nicht auf sie abgefärbt.
Das Haus, in dem er wohnte, war gut und ordentlich gesichert. Darauf legte er gewiss großen Wert. Einzig dank ihrer Dienstmarke gelangte sie in das Foyer, von da aus in den fünften Stock, und holte dort, bevor sie auf die Klingel drückte, erst einmal tief Luft.
Erst nach mehreren Minuten sah sie, dass der Scanner blinkte, und wusste, dass er sie auf dem kleinen Überwachungsmonitor in seiner Wohnung sah.
Schließlich blinkte ein kleines grünes Licht, und er öffnete die Tür.
»Aber hallo, weißes Mädel. Warum reißt du mich aus dem Schlaf?«
Er war ein riesengroßer schwarzer Mann und außer mit einem violetten Lendenschurz nur noch mit unzähligen Tätowierungen bedeckt.
»Ich muss mit dir reden, Crack. Lass uns bitte rein.«
Er wirkte etwas überrascht, grinste dann aber breit. »Ich verstehe nicht... Im D&D läuft alles ganz normal.«
»Es geht nicht um den Club.« Das Down and Dirty war sein Baby, ein Musik- und Sexclub in der City, in dem bereits ein bloßer Drink nahezu lebensgefährlich war.
Sie hatte dort ihren Junggesellinnenabschied zelebriert.
»Scheiße. Wenn ich mich um diese
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