Der Hauch Des Bösen: Roman
dunklen Sonnenbrille vor den Augen hinter Eve im Fond.
Trotzdem konnte sie ihn überdeutlich spüren - die Kälte seiner Angst und die gleichzeitige Hitze der absurden Hoffnung, die ihn aufrechthielt.
Auch auf dem Weg den kühlen weißen Korridor hinunter sah er sie nicht einmal an. Inzwischen war es ihre Schuld, das konnte sie verstehen. Es war eindeutig ihre Schuld, denn sie hatte diese grauenhafte Angst und gleichzeitig diese heiße Hoffnung in ihm geweckt.
Sie führte ihn in einen kleinen Raum, und sie und Roarke stellten sich dicht neben ihn.
»Falls du sie dir lieber auf dem Monitor ansehen möchtest...«
»Ich glotze gewiss nicht auf irgendeinen bescheuerten Monitor. Ich glaube nicht, was auf einem solch dämlichen Ding zu sehen ist.«
»Also gut.« Damit hatte sie gerechnet, darauf war sie vorbereitet, und so drückte sie auf einen unter der noch geschwärzten Glaswand angebrachten Knopf.
»Lieutenant Eve Dallas in Begleitung von Wilson Buckley, dem nächsten Angehörigen von Alicia Dilbert. Bitte geben Sie den Blick für eine persönliche Identifizierung frei.«
Die Scheibe wurde langsam grau und schließlich klar.
Dort lag sie, bis unter das Kinn mit einem weißen Tuch bedeckt, auf einem schmalen Tisch.
»Nein.« Crack trommelte mit beiden Fäusten gegen die dicke Scheibe. »Nein, nein, nein!« Dann wandte er sich Eve zu und hätte sie wahrscheinlich angefallen, hätte Roarke ihn nicht gepackt und mit dem Rücken gegen das Glas gedrückt.
»Das würde Alicia ganz bestimmt nicht wollen«, erklärte er in ruhigem Ton. »Das hilft ihr nicht mehr.«
»Es tut mir leid.« Mehr konnte Eve nicht sagen.
Trotz seines noch immer mörderischen Blickes rührte Crack sich nicht vom Fleck. »Lassen Sie mich da rein. Lassen Sie mich auf der Stelle zu ihr, oder ich werfe erst ihn und dann Sie durch diese Scheibe. Sie wissen, dass ich dazu in der Lage bin.«
Dazu war er tatsächlich in der Lage, genau wie sie in der Lage war, ihn mit ihrem Stunner zu betäuben.
Inzwischen allerdings wich der Zorn in seinem Blick bereits einem Ausdruck abgrundtiefer Trauer.
»Ich werde dich zu ihr bringen«, sagte sie deshalb. »Aber ich werde bei dir bleiben müssen, und die Überwachungskamera wird eingeschaltet sein. So ist es nun mal Vorschrift.«
»Zur Hölle mir Ihnen und Ihrer blöden Vorschrift.«
Sie bedeutete Roarke, Alicias Bruder loszulassen, und drückte abermals den Knopf. »Ich bringe den Angehörigen herein. Bitte bleiben Sie dem Zimmer fern. Komm mit.« Sie gab Roarke ein Zeichen, dass er warten sollte, und ging mit Crack durch eine Tür, einen kurzen Korridor hinunter und abermals durch eine Tür.
Dort standen andere Tische, auf denen andere Opfer auf ihre Identifizierung warteten. Und in den großen Kühlfächern aus Stahl entlang einer der Wände waren weitere Tote aufgereiht. Sie konnte ihn nicht vor diesen Toten schützen, konnte nur weiter in Alicias Richtung gehen und die Hand an ihren Stunner legen, falls er abermals die Kontrolle über sich verlor.
Doch er trat nur an den Tisch, blickte in das hübsche Gesicht mit den schmalen Wangenknochen und strich seiner kleinen Schwester unendlich sanft über das schwarz schimmernde Haar.
»Das ist mein Baby. Das ist meine kleine Schwester. Das ist mein Herz und meine Seele.« Er beugte sich über das Mädchen und küsste es behutsam auf die Stirn.
Dann glitt der muskulöse Hüne unvermittelt an dem
Tisch herab, legte den Kopf zwischen die angezogenen Knie und brach in lautes Schluchzen aus.
Eve kniete sich neben ihn und zog ihn voller Mitleid an ihre Brust.
Durch das Glas verfolgte Roarke, wie sie diesen Riesen zärtlich wiegte, der Trost suchend wie ein Baby in ihren Armen lag.
Schließlich stand sie auf, bestellte ein Glas Wasser und hielt eine seiner Hände, während er durstig trank.
»Ich war zwölf, als Mama noch mal schwanger wurde. Irgendein Bastard hatte ihr alle möglichen Versprechungen gemacht, und sie hat sie geglaubt. Allerdings blieb er, nachdem das Baby auf der Welt war, nicht mehr allzu lange da. Mama hat geputzt und sich nebenher als Hure etwas Geld verdient. Sie hat uns ernährt und ein Dach über dem Kopf geboten, für viel mehr hatte sie keine Zeit. Alicia war das hübscheste Baby, das Sie in Ihrem ganzen Leben je gesehen haben. Und unwahrscheinlich brav.«
»Du hast dich um sie gekümmert«, warf Eve verständnisvoll ein.
»Es hat mir nichts ausgemacht. Ich schätze, ich habe es sogar gewollt. Alicia war ungefähr vier, als
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