Der Hauch Des Bösen: Roman
Ecke Delancey/Avenue D. Ich mache mich jetzt auf den Weg dorthin.«
»Halt, warten Sie. Ich fahre doch jetzt nicht in die Lower East Side, nur weil Sie -«
»Ich glaube, dass es eine Tote gibt.« Sie trat etwas zur Seite, damit Eve die auf ihrem Schreibtisch verstreuten Fotos sah. »Ich glaube, sie ist tot.«
Auf den Bildern sah man eine junge, brünette Frau in verschiedenen Posen, einige natürlich, andere, wie es aussah, einstudiert.
»Warum denken Sie, dass sie tot ist?«
»Das werde ich Ihnen sagen, wenn wir uns gleich treffen. Wir vergeuden unnötige Zeit.«
Während Eve noch stirnrunzelnd auf ihr Handy blickte, winkte sie die Sanitäter an sich vorbei ins Haus. »Ich werde einen Streifenwagen schicken.«
»Ich habe Sie nicht angerufen, damit irgendein uniformierter Beamter mich daran hindert, der Story weiter nachzugehen. Wie es aussieht, ist sie nämlich wirklich heiß. Entweder wir treffen uns, oder ich gehe der Sache alleine nach. Und dann werde ich mit allem, was ich habe, und allem, was ich finde, sofort auf Sendung gehen.«
»Verdammt, was ist aus diesem Tag geworden? Also gut. Warten Sie dort an der Ecke und holen sich einen Bagel oder so. Tun Sie nichts, solange ich nicht da bin. Erst muss ich hier noch kurz etwas erledigen.« Sie blickte zu dem Sanitäter, der sich um den Butler kümmerte. »Aber ich mache mich so schnell wie möglich auf den Weg.«
Damit brach sie die Übertragung ab, stopfte das Handy in die Tasche, ging zu Roarke und tätschelte ihm, während er dem Sanitäter zusah, hilflos den linken Arm. »Es gibt eine Sache, die ich überprüfen muss.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, wie alt er genau ist. Ich kann mich nicht erinnern.«
»He.« Jetzt drückte sie seinen Arm. »Er ist viel zu gehässig, um nicht bald wieder auf den Beinen zu sein. Hör zu, wenn ich noch bleiben soll, kann auch jemand anderes diese Sache, die ich tun muss, übernehmen.«
»Nein, schon gut.« Er schüttelte sich leicht. »Wie konnte er nur über den gottverdammten Kater fallen? Er hätte sich umbringen können bei dem Sturz.« Er wandte sich ihr zu und presste seine Lippen sanft auf ihre Stirn. »Das Leben ist doch immer wieder voller
hässlicher Überraschungen. Pass auf dich auf, Lieutenant, es ist mir nämlich lieber, wenn es bei dieser einen Überraschung bleibt.«
Der Verkehr war fürchterlich, passte aber bestens zu ihrer ruinierten Stimmung. Hinter einem Maxibus mit einer Panne stauten sich die Wagen auf der Lexington Avenue von der 75. Straße so weit in Richtung Süden, wie das menschliche Auge sah. Von allen Seiten drang erbostes Hupen an Eves Ohr, und über ihrem Kopf schwirrten summend ein paar Hubschrauber der Verkehrswacht, damit es nicht in der Luft zusätzlich zu Verstopfungen durch Schaulustige kam.
Als sie es schließlich leid war, in diesem Pendlermeer zu sitzen, schaltete sie die Sirene ihres Fahrzeugs ein, ging entschlossen in die Vertikale und bog erst nach Osten ab und dann wieder nach Süden, bis sie endlich eine freie Straße fand.
Sie hatte die Zentrale angerufen und darüber informiert, dass sie erst in einer Stunde im Büro sein würde.
Es wäre sinnlos, dort zu melden, dass sie ohne Befugnis und ohne erkennbaren Grund in die Lower East Side fuhr, nur weil sie von einer Journalistin darum gebeten worden war.
Doch sie traute Nadines Instinkt - der Riecher dieser Frau für eine Story war genauso gut wie der von einem Jagdhund, der einem Kaninchen auf der Fährte war. Deshalb hatte sie auch ihre Assistentin angerufen und sie in die Delancey Street bestellt.
Es herrschte reges Treiben in dem Gebiet. Auf Straßenebene gab es jede Menge Cafés, Delikatessen- und
Spezialitätenläden, die vor allem von den Bewohnern der Apartments, die über den Geschäften lagen, gern genutzt wurden. Die Bäckerei verkaufte beispielsweise ihre Brötchen an den Betreiber der daneben gelegenen Reparaturwerkstatt. Der wiederum sah nach dem AutoChef der Frau, die den Kleiderladen gegenüber führte, während sie selbst gerade über die Straße lief und etwas bei dem alten Gemüsehändler kaufte.
Es war ein funktionierendes System. Alt und etabliert. Obwohl viele der Häuser noch Narben von den innerstädtischen Revolten trugen, hatte man die Nachbarschaft schnell wieder aufgebaut.
Dies war allerdings keine Gegend, in der man spätabends noch einen Spaziergang unternehmen wollte. Ein paar Blocks südlich oder westlich traf man nämlich die nicht ganz so properen Gemeinschaften der
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