Der Hauch Des Bösen: Roman
so wie Eve, die als kleines Mädchen mit gebrochenem Arm und blutend
in jener dunklen Gasse in Dallas aufgegriffen worden war.
Sie hatte gelernt, innerhalb dieses Systems zu funktionieren, während er selbst den Großteil seines Lebens darauf verwendet hatte, sämtliche Systeme zu umgehen. Wobei er irgendwie am Ende selbst ein Teil davon und selbst ein Wohltäter geworden war.
Es war wirklich verblüffend, dachte er leicht amüsiert.
Er stand in der breiten Tür des Spielbereichs. Die Kinder spielten zwar etwas lustlos, aber zumindest spielten sie. Frauen mit Babys in den Armen und zerschundenen Gesichtern fixierten ihn voller Panik, Argwohn, Widerwillen oder einfach nur ängstlich.
Männer waren selten in diesem Haus, denn meistens waren sie der Grund, aus dem die Frauen hierhergeflüchtet waren.
»Ich will nicht lange stören«, erklärte Louise mit ruhiger Stimme und sah die Frauen nacheinander an. »Das hier ist Roarke. Ohne ihn gäbe es das Dochas nicht. Wir freuen uns, dass er heute die Zeit für einen Besuch gefunden hat, um sich anzugucken, was aus seiner Vision und seinem Geld geworden ist.«
»Es war vor allem Ihre Vision, Louise. Dies ist ein hübscher Raum, fühlt sich wie ein Zuhause an.« Auch er schaute die Frauen nacheinander an. Spürte das Unbehagen und die Unruhe, die durch sein Erscheinen wachgerufen worden waren.
»Ich hoffe, Sie finden hier das, was Sie brauchen«, sagte er und wandte sich wieder zum Gehen.
»Weshalb hat das Haus so einen komischen Namen?«
»Livvy.« Eine dünne Frau von höchstens fünfundzwanzig Jahren, deren Gesicht unter einer Vielzahl abschwellender blauer Flecken kaum zu erkennen war, stürzte auf das kleine Mädchen zu, das gesprochen hatte. »Tut mir leid. Sie hat es nicht böse gemeint.«
»Das ist eine gute Frage. Und es ist immer schlau, gute Fragen zu stellen. Du heißt also Livvy«, wandte er sich jetzt der Kleinen zu.
»Äh, ja. Eigentlich Livia.«
»Olivia. Das ist ein wunderschöner Name. Du findest also auch, dass es wichtig ist, wie man Menschen oder Orte nennt? Deine Mama hat einen ganz besonderen Namen für dich ausgesucht, und sieh nur, wie gut er zu dir passt.«
Livvy beäugte Roarke, drängte sich dann an ihre Mutter und flüsterte so laut, dass es alle mitkriegten: »Hör nur, wie schön er spricht.«
»Sie ist erst drei«, erklärte ihm die junge Frau mit einem nervösen Lachen. »Man weiß nie, was sie als Nächstes sagt.«
»Das muss ein echtes Abenteuer sein.« Als sich das Gesicht der Frau etwas entspannte, hob er eine Hand und strich mit einem Finger über Livvys braune Locken. »Aber du wolltest von mir wissen, warum das Haus so heißt. Dochas ist gälisch. Das ist eine furchtbar alte Sprache, die die Leute an dem Ort, an dem ich geboren wurde, gesprochen haben und sogar zum Teil noch sprechen. Übersetzt heißt es Hoffnung.«
»So wie ich hoffe, dass es heute Abend wieder Eis zum Nachtisch gibt?«
Jetzt musste er spontan grinsen. Dieses Kind hatte man noch nicht gebrochen, dachte er. Und, so Gott
wollte, gelänge es auch niemandem. »Warum nicht?« Er sah erneut ihre Mutter an. »Haben Sie hier gefunden, was Sie brauchen?«
Sie nickte schüchtern.
»Das ist gut. War schön, dich kennen zu lernen, Livvy.«
Damit trat er in den Korridor zurück und wandte sich erst, als er sicher war, dass man ihn nicht mehr hörte, an Louise. »Wie lange sind die beiden schon hier?«
»Das müsste ich eine der Angestellten fragen. Sie ist mir nicht aufgefallen, als ich vor ein paar Tagen hier gewesen bin. Wir helfen diesen Menschen, Roarke, und es kann nicht immer von Dauer sein, aber es reicht aus. Ich weiß aus meiner Klinik, wie hart es ist, wenn man nicht jeden retten kann, und wie viel schwerer es ist, nicht zu jedem eine persönliche Beziehung zu entwickeln.« Obwohl sie aus einer reichen, privilegierten Familie stammte, kannte Louise die Bedürfnisse, die Ängste, die Verzweiflung der Unterprivilegierten allzu gut. »Ich kann nicht mehr als ein paar Stunden in der Woche hier sein. Ich wünschte, ich könnte öfter kommen, aber die Klinik...«
»Wir haben Glück, dass wir Sie haben«, fiel ihr Roarke ins Wort. »Jede Minute, die Sie für uns erübrigen können, zählt.«
»Die Angestellten hier - die Psychologinnen und Therapeutinnen - sind einfach wunderbar. Das kann ich Ihnen versprechen. Die meisten von ihnen kennen Sie bereits.«
»Und ich bin dankbar, dass Sie genau die richtigen Menschen für diesen Ort gefunden haben. Ich
Weitere Kostenlose Bücher