Der Hauptmann von Koepenick
Staatsbeamter, Herr Leutnant, nich?
OBERMÜLLER
Meine Mutter kommt nämlich zu Besuch, sie legt besonderen Wert drauf, sie ist ja aus einer Offiziersfamilie. Ich? Kommunalbeamter, Herr Wormser. Nun ja, ich wollte eigentlich in die Politik gehn – ich hätte mir vorgestellt, als Nationalökonom, etwa im Rahmen der Fortschrittlichen Volkspartei, für das Gemeinwohl zu wirken – vor allem schriftstellerisch – aber – dazu gehören Mittel.
WORMSER
Beamter is auch immer sehr schön.
OBERMÜLLER
Gewiß doch, man kann gut vorwärtskommen – ich bin jetzt schon im Köpenicker Stadtmagistrat; wenn ich Glück habe, kann ich mal Bürgermeister von Köpenick werden – Mit leisem Lächeln – so was ist natürlich auch eine Wirksamkeit zum Wohle des Volksganzen.
WORMSER
Na, zum Reserveleutnant hamse’s ja schon gebracht, das is die Hauptsache, das muß man sein heutzutage – gesellschaftlich – beruflich – in jeder Beziehung! Der Doktor ist die Visitenkarte, der Reserveoffizier ist die offene Tür, das sin die Grundlagen, das is mal so!
WABSCHKE
Da beißt de Maus keen Faden ab.
WORMSER
Seinse still, Wabschke, Sie sind nich gefragt. Wissense was, Herr Leutnant, da fällt mir was ein, ich hätt was für Sie – wennse’s so eilig haben – schlupfense mal in den Rock rein! Der müßt Ihnen grad passen! Nimmt Schlettows Uniform von der Stange.
OBERMÜLLER
Das ist ja ein Hauptmannsrock, so weit sind wir noch nicht, Herr Wormser! Lacht.
WORMSER
Kommt noch, kommt noch! Wir müßten nur ’n paar kleine Änderungen machen, und andere Achselstücke, denn is de Sache bong. Knöpfense mal zu, Wabschke.
WABSCHKE
Sitzt, als wär er for Ihnen zujeschnitten. Nur um de Hüften ’n bisken knapp.
OBERMÜLLER
Ja, ich habe etwas starke Hüften, das ist eine Berufskrankheit sozusagen, das macht die sitzende Lebensweise.
WORMSER
Ich wer Ihnen mal was sagen. Die Uniform nehmense. Ne neue dauert acht Tage, drunter is nich zu machen. Und überhaupt, es kost Sie billiger, und sie is noch gar nich getragen, funkelnagelneu, ich habe se in Kommission übernommen, der Herr hat quittieren müssen – Senkt die Stimme – habense nichts von dem skandalösen Vorfall gehört – »cherchez la femme«, natürlich.
OBERMÜLLER
Nein, danke, ich interessiere mich gar nicht für Skandalaffären. Im Munde der Öffentlichkeit werden solche Dinge doch immer entstellt.
WORMSER
Meine Rede, Herr Leutnant, meine Rede! Was sag ich immer! Nur kein Klatsch, nur kein Geschwätz, die Hälfte is gelogen, die andre Hälfte geht mich nichts an. Bei uns wird so viel ins Geschäft getragen – da hör ich einfach gar nich zu. Na, schaunse mal in Spiegel, wie gefallense sich als Offizier?
OBERMÜLLER
Nicht übel! Nicht übel! Tritt etwas zurück, nimmt den Zwicker ab, besieht sich von oben bis unten Kleider machen Leute, da ist nun doch was Wahres dran. So ne Uniform hebt entschieden – es geht ein gewisser Zauber von ihr aus –
WORMSER
macht indessen hinten ein paar Kreidestriche Sehnse, Wabschke, hier – und da – un da – das is ne Kleinigkeit. Ja ja, da sieht ma, was ma wert is, Herr Leutnant, nich? Das Schöne is, daß man was geworden is, was nich jeder werden kann, das macht Spaß! Gebense mal de Stecknadeln, Wabschke!
OBERMÜLLER
Umgekehrt, lieber Herr Wormser, grad umgekehrt! Das Große ist bei uns die Idee des Volksheeres, in dem jeder Mann den Platz einnimmt, der ihm in der sozialen Struktur der Volksgemeinschaft zukommt. Freie Bahn dem Tüchtigen! Das ist die deutsche Devise! Die Idee der individuellen Freiheit verschmilzt bei uns mit der konstitutionellen Idee zu einem entwicklungsfähigen Ganzen. Das System ist monarchisch – aber wir leben – angewandte Demokratie! Das ist meine Überzeugung!
WORMSER
Sicher, sicher, das will ich meinen, bei uns is mehr Freiheit wie in soner Republik, da könnten se all was lernen von. So, jetzt is alles in Ordnung. Also mit der Uniform habense Glück gehabt, Herr Leutnant.
OBERMÜLLER
Nun ja, wenn’s rascher geht – ich hätte mir natürlich lieber eine neue – aber – der Eile halber –
WORMSER
Sie könnense morgen fertig anziehn. Dann nehm wir gleich Offizierskoppel zum Unterschnallen, Bandelier, Degen, Mütze, Helm, wie is Ihre Koppnummer, Herr Leutnant?
OBERMÜLLER
Neunundfünfzig. Ich habe einen ziemlich ausgebildeten Schädel.
WORMSER
Da is auch was drin! Willy, helf’m Herrn Leutnant in sein Rock, sei e bißje gefällig. Militärmarsch, Blechmusik,
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