Der Hauptmann von Koepenick
näherkommend.
WORMSER
Prachtvoll, son alter Preußenmarsch, was? Das reißt ein’n hoch, das geht ein’n in de Knochen!
WABSCHKE
Da kann ’n Laubfrosch Polka tanzen lernen.
WORMSER
Seinse ruhig, Wabschke, Sie sind unmusikalisch. Also nochmals meinen herzlichsten Glückwunsch, Herr Leutnant, es hat mich sehr gefreut.
OBERMÜLLER
Danke, danke sehr, Herr Wormser.
WORMSER
Sagen wir, morgen um dieselbe Zeit is alles fertig. Is recht?
OBERMÜLLER
Das ist mir sehr lieb, Herr Wormser, meine Mutter kommt nämlich morgen zu Besuch, ich habe ihr depeschiert, da möchte ich natürlich gern –
WORMSER
In Uniform – freilich, selbstverständlich! Die Frau Mutter wird e Freud haben an son strammen Leutnant!
OBERMÜLLER
Ja ja – meine Mutter legt nämlich großen Wert – auf Wiedersehn, auf Wiedersehn, Herr Wormser!
WORMSER
Auf Wiedersehn, Herr Leutnant, auf Wiedersehn! Komplimentiert ihn bis zur Tür.
OBERMÜLLER
ab.
WORMSER
Der hat’s geschafft. Was heutzutag nich alles Offizier wird! Nemm dir e Beispiel, Willy! Dunkel, Militärmarsch, nah, mächtig.
Zweiter Akt
Achte Szene
Personen: Zuchthausdirektor, Anstaltsgeistlicher, Aufseher, Sträflinge, darunter Wilhelm Voigt
Die Zuchthauskapelle in der preußischen Strafanstalt Sonnenburg. Sie gleicht einem nüchternen Vortragssaal mit erhöhtem Podium. Die einzelnen Sitze für die Sträflinge sind durch hohe Rücklehnen und gleichhohe Seitenwände voneinander getrennt, so daß jeder für sich allein in einem nach vorne offenen Holzkasten sitzt. Vergitterte Fenster. Wachen rechts und links am Ausgang. Die Aufseher sitzen abgesondert auf Stühlen.
DER ANSTALTSGEISTLICHE
steht auf dem Podium, dirigiert.
DIE GEFANGENEN
stehend, mit Gesangbüchern in der Hand, singen den Choral
»Bis hierher hat uns Gott geführt
In seiner großen Güte –«
DER GEISTLICHE
nach Schluß der Strophe Genug für heute. Gesangbücher einsammeln.
DIE AUFSEHER
sammeln ein.
GEISTLICHER
An Stelle einer Predigt wird heute zur Feier des vierzigsten Jahrestages unseres großen Sieges bei Sedan der Herr Direktor persönlich eine Stunde vaterländischen Unterricht abhalten.
EIN STRÄFLING
unsichtbar Ahh –!
GEISTLICHER
Wer war das? Nun, ich will annehmen, daß dies ein Laut aufrichtiger Freude war. Ihr wißt alle, wie viele Bevorzugungen und Erleichterungen ihr der Güte eures Direktors zu verdanken habt. Benehmt euch darnach. Hinsetzen. Er geht.
DIE GEFANGENEN
setzen sich.
DIREKTOR
tritt ein. Die Gefangenen springen auf. Der Direktor ist ein würdiger Herr mit langem, grauem, in der Mitte zwiegeteiltem Bart. Über dem Bart ein rundes, rosig freundliches Gesicht mit glänzender, glatter Stirn. Er trägt einen grauen Anzug mit langen Rockschößen Guten Morgen, Leute!
DIE GEFANGENEN
brüllen Guten Morgen, Herr Direktor!
DIREKTOR
auf dem Podium Abzählen!
DIE GEFANGENEN
zählen auf militärische Weise ab, von 1 bis 30.
DIREKTOR
Recht so! Das klappt schon ganz vorzüglich. Eins bis sieben Kavallerie, acht bis zwölf Artillerie, dreizehn bis vier- undzwanzig Infanterie, der Rest Genietruppen, Train und Sanität. Setzt euch!
DIE GEFANGENEN
setzen sich.
DIREKTOR
Wie ihr wißt, schreiben wir heute den zweiten September. Da fällt mir übrigens ein, morgen, am dritten September, findet doch eine Entlassung statt. Wer ist das gleich?
VOIGT
steht auf.
DIREKTOR
Ah, Sie sind das, Voigt, nicht wahr?
VOIGT
Jawohl, Herr Direktor.
DIREKTOR
Wie lange waren Sie jetzt bei uns?
VOIGT
Zehn Jahre, Herr Direktor.
DIREKTOR
Weswegen sind Sie eigentlich hergekommen?
VOIGT
Wegen Einbruch ins Potsdamer Polizeirevier. Ick wollte mir da –
DIREKTOR
Ja, richtig. Nun, lieber Freund, Sie haben sich durch eine untadelige Führung und durch Ihre Arbeitsamkeit die Schätzung Ihrer Vorgesetzten erworben. Hoffen wir, daß – aber darüber wollen wir uns morgen noch unterhalten, nicht wahr?
VOIGT
Gern, Herr Direktor.
EIN AUFSEHER
springt in diesem Moment in eine der hinteren Reihen Hände ruff! Hände ruff! So, dich hätten wa.
DIREKTOR
Was ist denn los, was soll denn das heißen?
AUFSEHER
Da hinten hamse wieder jeschmuggelt. Ick habse schon de janze Zeit heimlich im Auge jehabt.
DIREKTOR
tadelnd Das hätte ich am heutigen Tage nicht erwartet. Was haben sie denn da?
AUFSEHER
Hier, ’n Viertel Kantinenwurst hat er gegen zehn Zigaretten einjetauscht, und im Ärmel hat er ’n Kassiber stecken.
DIREKTOR
Einen Kassiber? Was steht denn drin?
AUFSEHER
Nichts. Is nur gezeichnet.
DIREKTOR
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