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Der Hauptmann von Koepenick

Der Hauptmann von Koepenick

Titel: Der Hauptmann von Koepenick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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Hauptmann, die Wagen sind vorgefahren, die Frau Bürgermeister sitzt schon drin.
    VOIGT
Dann führen Sie die beiden Herrn runter, und fahren Sie los. Sie wissen ja, Neue Wache, Berlin.
    KILIAN
Zu Befehl, Herr Hauptmann! Herr Hauptmann können sich auf mich verlassen. Zu Obermüller und Rosencrantz Vorwärts, marsch.
    OBERMÜLLER UND ROSENCRANTZ
werden abgeführt. Man hört von draußen noch Kilians Stimme »Los! Mäntel anziehen! Vorwärts!«
    VOIGT
Na, der hat wenigstens ’n Spaß bei. Sein’ Bürjermeister führt er nich alle Tage ab. Er steckt das Geld in die Manteltasche, ruft Gefreiter!
    DER GEFREITE
kommt, steht stramm.
    VOIGT
Die Aktion in Köpenick ist beendet. In einer halben Stunde ziehen Sie die Wachen ein, marschieren zum Bahnhof, fahren nach Berlin und melden sich auf der Neuen Wache, von Köpenick zurück.
    DER GEFREITE
Zu Befehl, Herr Hauptmann.
    VOIGT
Sagen Sie Ihren Leuten: es war recht so. Es hat alles ordentlich geklappt.
    DER GEFREITE
Jawohl, Herr Hauptmann.
    VOIGT
Hier haben Sie Geld für die Rückfahrt. Vom Rest kaufen Sie in der Bahnhofswirtschaft jedem Mann ein Bier und eine Bockwurst.
    DER GEFREITE
Danke, Herr Hauptmann.
    VOIGT
Tach. Finger an die Mütze, ab. Gefreiter und Soldaten stehen stramm.Dunkel.
    Zwanzigste Szene
    Personen: Nachtkellner, Scheuerfrau, Bollefahrer, zwei Bollemädchen, Chauffeur, Zeitungsjunge, Wilhelm Voigt
    Aschingers Bierquelle in der neuen Friedrichstraße. Früher Morgen. Die Gaslampe brennt noch, das Lokal ist aufgeräumt, Stühle auf den Tischen, ein Ofen in der Ecke. An der Wand überm Ausschank gedruckte Schilder, auf dem einen steht: »Gepumpt wird nicht« – auf den andern, in je zwei Zeilen geteilt, der Spruch: »Ein Bier allein im Magen, das kann kein Mensch vertragen! Drum, soll das Bier bekömmlich sein, stülp einen Schnabus hinterdrein!« – Leere Flaschen, ungespülte Gläser, kalter Rauch.
    Der übernächtigte Kellner, ein verschwiemelter Mensch in einem schmierigen weißen Jäckchen, und die Scheuerfrau sind dabei, das Lokal flüchtig aufzuräumen. An der Seite, von Tischen verdeckt, aufeiner schmalen Wandbank, liegt Wilhelm Voigt in seiner alten Kleidung, wie ein Toter hingestreckt. Man sieht von ihm zunächst nur die Stiefel.
    DER KELLNER
klettert auf einen Stuhl, zieht am Kettchen den Gashahn zu. Fades Tageslicht fällt herein.
    DIE SCHEUERFRAU
kehrt Schmutz und Zigarrenstummel zusammen.
    DER KELLNER
noch auf dem Stuhl Seit wa hier Nachtbetrieb haben, jibt et überhaupt keen Schlaf mehr. Kaum sind de letzten Hocker wech, kommen schon die Frühkutscher. Zu erben is ooch nischt bei. Wer jibt denn heute noch ’n Trinkgeld.
    SCHEUERFRAU
ist beim Kehren in Voigts Nähe gekommen Was isn mit dem?
    KELLNER
Dem kannste in Müll schippen. Dem Penner.
    SCHEUERFRAU
Der hat sich det Kinn wohl mächtig mit Jift beschüttet.
    KELLNER
Hier nich. Der liecht schon seit jestern abend. Über ne kleene Molle und ’n halbes Sülzkotelett is er injepennt und nich wieder hochjekommen.
    SCHEUERFRAU
Denn hat er sich vorher beschmettert.
    KELLNER
So hat er nich ausjesehn. Is halt ’n Penner. Ick wer’m ’n Bierrest in de Fresse kippen.
    SCHEUERFRAU
Na, laß man. Vielleicht is er krank.
    KELLNER
Denn soll er in de Charité. Wenn Leite kommn, muß er raus. Draußen rollen und klingeln die Milchwagen, läuft eine Trambahn an Na, nu jeht’s schon los. Man mechte kotzen, wenn de Sonne aufjeht.
    EIN BOLLEFAHRER
mit dickem, rotem Gesicht kommt herein, hinter ihm zwei Bollemädchen in blauen Kittelschürzen, mit der gestickten Aufschrift: »Frische Milch!« in Brusthöhe.
    DER FAHRER
Fritze, meine Morjenladung. Kommt, Kinder, ick spendier euch ne heiße Wurst. Singt
»Glücklich ist,
Wer verfrißt,
Was nicht zu versaufen ist!«
Det is nämlich mein Wahlspruch. Det Wichtigste im Leben is de jesunde Grundlage.
    DIE MÄDCHEN
lachen, setzen sich.
    DER KELLNER
hat dem Fahrer ein großes Glas voll Kognak eingeschenkt Hier haste deine Morjnladung. Kriegen de Damen ooch ’n Kognak?
    DIE MÄDCHEN
Nee, nee, um Jottes willen.
    DER FAHRER
Wat heißt hier, um Jottes willen, seid froh, daß der liebe Jott ’n Kognak wachsen läßt: denn die wärmsten Jäckchen sind die Konjäckchen, und wer sich beizeiten fier ne warme Jacke sorcht, den jehn im Alter de Brikette nich aus.
    KELLNER
bei Voigt Los! Aufstehn! Verzehrt haste nischt, bezahlt is ooch nich! Hier is keene Penne!
    DER FAHRER
Kiek man, det is ja mein ausjestorbener Onkel, den se vor fuffzig Jahren in Amerika aus ne Postkutsche

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